Deutschlands Interessen – und mit wem sie sich verwirklichen lassen
Die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation
Freier Handel und Innovation sind für das rohstoffarme Deutschland essenziell. Zur Stärkung dieses Kerninteresses deutscher Außenpolitik bedarf es enger, strategischer Partnerschaften. Solche Partnerschaften über die vorhandenen Handelsbeziehungen hinaus zu intensivieren, ob zu Exportmärkten in Lateinamerika (zum Beispiel Brasilien) oder Asien (zum Beispiel Vietnam), zu Exporteuren wichtiger Rohstoffe (zum Beispiel Saudi-Arabien oder die Elfenbeinküste) und innovationspolitische Impulse von ähnlich aufgestellten Volkswirtschaften (zum Beispiel Schweiz) aufzunehmen, sollte handlungsleitend für eine zukunftsweisende Wirtschafts- und Innovationspolitik sein.
Freier Handel und Innovation sind für das rohstoffarme Deutschland essenziell. Zur Stärkung dieses Kerninteresses deutscher Außenpolitik bedarf es enger, strategischer Partnerschaften. Solche Partnerschaften über die vorhandenen Handelsbeziehungen hinaus zu intensivieren, ob zu Exportmärkten in Lateinamerika (zum Beispiel Brasilien) oder Asien (zum Beispiel Vietnam), zu Exporteuren wichtiger Rohstoffe (zum Beispiel Saudi-Arabien oder die Elfenbeinküste) und innovationspolitische Impulse von ähnlich aufgestellten Volkswirtschaften (zum Beispiel Schweiz) aufzunehmen, sollte handlungsleitend für eine zukunftsweisende Wirtschafts- und Innovationspolitik sein. Gerade im Nachgang der Corona-Pandemie und der russischen Invasion in der Ukraine wird es notwendig werden, sich neuen Chancen und Potenzialen zu widmen. Denn es besteht derzeit die konkrete Gefahr, dass unsere globalisierte Welt auseinanderdriftet, Transport- und Lieferketten unter Druck geraten und etablierte Verbindungen zwischen Europa und dem Rest der Welt gekappt werden.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass nur wenige Länder die Globalisierung in ähnliche erfolgreicher Weise wie Deutschland nutzen konnten – und gleichzeitig eine sukzessive Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch stattfand. Dies führte zu positiven ökonomischen Nachrichten vom Arbeitsmarkt, soliden Wachstumszahlen, steigenden Löhnen und Renten sowie stabilen Steuereinnahmen. Auch aus ökologischer Perspektive gab es Erfolge zu vermelden: Die zum Einsatz gebrachte Primärenergie für die Erzeugung einer Gütereinheit ging zurück, die Ressourcenproduktivität stieg, Treibhausgas-Emissionen gingen zurück. Diese Situationsbeschreibung ist durch die Corona-Pandemie wackelig geworden und wurde durch die Folgen des Krieges in der Ukraine in den Grundfesten erschüttert. Noch ist nicht klar, ob sich die Welthandelsordnung langfristig grundlegend ändert oder ob es bei graduellen Verschiebungen bleibt.
Unstrittig ist aber, dass sich auch abseits des Krieges in Osteuropa, welcher aus Sicht der Wirtschaft vor allem die Handelsströme im Energiebereich völlig verändert, die externen Risiken für das deutsche, exportorientierte Wirtschaftsmodell vervielfachen. Dazu zählen ein weltweit zunehmender Protektionismus (der schon vor der Corona-Pandemie einsetzte), die zunehmend als geopolitisches Mittel genutzte Wirtschafts- und Finanzpolitik, der weiter schwelende Wirtschaftskonflikt zwischen China und den USA, überstrapazierte Ökosysteme und labile Finanzmärkte. Man muss konstatieren, dass Deutschland überdies in einer komplizierten geopolitischen Lage steckt: Handelspolitisch ist man weiterhin enorm mit China vernetzt, energiepolitisch immer noch auf Russland angewiesen und sicherheitspolitisch ohne die USA kaum handlungsfähig.
Damit steht Deutschland zwischen den um Deutungshoheit ringenden Gestaltungsmächten und muss, vielleicht stärker als zu früheren Zeiten, eigene Interessen formulieren und sich bewusst machen, dass ökonomischer Erfolg kein Selbstläufer ist. Vielmehr muss er durch eine kluge Wirtschafts- und Innovationspolitik immer wieder neu gewonnen werden. Eine solche Politik zeichnet sich durch eine solide Konzeption aus und fokussiert in besonderer Weise auf marktwirtschaftliche Elemente, die Deutschlands zukünftigen Wohlstand sichern. Zum einen gehört dazu der Einsatz für offene Märkte, freien Welthandel und eine globalisierungszugewandte Agenda. Zum anderen betrifft es die Etablierung einer Innovationskultur, die technische und soziale Veränderungen als notwendige Bedingungen begreift, um Wohlstand für alle im Sinne Ludwig Erhards zu mehren.
Ein beachtlicher Teil der deutschen Wirtschaftsleistung hängt von offenen Märkten ab, und zwar gleichermaßen von der Einfuhr von Rohstoffen, Dienstleistungen und Vorprodukten wie von der Ausfuhr deutscher Güter und Dienstleistungen. Die wesentlichen Handelspartner sind hierbei die Staaten der EU, die Vereinigten Staaten und China. Es ist empirisch gut belegt, dass der europäische Binnenmarkt und der Freihandel mit Drittstaaten zukünftigen Wohlstand durch Wettbewerb sichern können. Für diesen Zusammenhang immer wieder politisch zu werben, bleibt eine große Aufgabe, um gesellschaftliche Widerstände zu überwinden und Ängste im Hinblick auf zukünftige Handelsabkommen zu nehmen.
Aufgrund des hohen Offenheitsgrades der deutschen Volkswirtschaft und der Verflechtung in internationale Wertschöpfungsketten ist ein funktionierendes, regelgebundenes Freihandelsregime für Deutschlands Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Wirtschaftskraft von überragendem Interesse. Konkret bedeutet das, dass sich die deutsche Volkswirtschaft dem weltweiten unternehmerischen Wettbewerb stellt und die deutschen Unternehmen durch diese „Produktivitätspeitsche“ gefordert sind, innovativ zu bleiben. Es setzt auch voraus, dass Deutschland sich dem Import von Waren unserer Handelspartner nicht verweigert beziehungsweise diese durch protektionistische Maßnahmen wie Zölle oder nichttarifäre Handelshemmnisse nicht erschwert, wenn die Herkunftsländer gleichfalls auf solche Maßnahmen verzichten. Fairer grenzüberschreitender Wettbewerb zwischen Unternehmen erfordert allerdings, dass ökologische und soziale Mindeststandards eingehalten werden. Der politische Einsatz muss folglich fairen Wettbewerbsregeln gelten (Einhaltung von Standards, keine Subventionen, Beachtung geistigen Eigentums, keine Marktzutrittsbarrieren) und sich protektionistischer Tendenzen erwehren.
Als Mitglied der EU hat Deutschland die Kompetenzen für internationale Handels- und Investitionspolitik übertragen, weil die Verhandlungsmacht des Staatenverbundes weit größer ist als einzelner Mitgliedstaaten. Die EU kann mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 17,4 Billionen US-Dollar besser mit Wirtschaftsgroßmächten wie den USA (BIP: 18,6 Billionen US-Dollar) und China (BIP: 11,2 Billionen US-Dollar) verhandeln und hat in handelspolitischen Fragen in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Erfolge zum Nutzen Deutschlands erzielt. Das erste umfassende Freihandelsabkommen der EU war jenes mit Südkorea (seit 2011 in Kraft). 2019 traten die Abkommen mit Japan und Singapur in Kraft, 2020 dasjenige mit Vietnam. Auch sind Freihandelsabkommen mit der Ukraine und Kanada (CETA) abgeschlossen worden, welche bisher aber nur provisorisch in Kraft treten konnten. Dies gilt auch für die Investitionsschutzkapitel in den Abkommen mit Vietnam und Singapur, welche noch nicht von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurden. Die zunehmende Schwierigkeit der EU, Freihandelsabkommen nicht nur abzuschließen, sondern auch in Kraft zu setzen, zeigt sich exemplarisch am Abkommen mit dem Gemeinsamen Markt Südamerikas (Mercosur). Die Verhandlungen zu dem Abkommen sind seit 2019 im Prinzip abgeschlossen. Aufgrund von erheblichen gesellschaftlichen Widerstände wegen der Brandrodungen im Amazonas und den politischen Prioritäten des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro gab es bisher aber keine politischen Mehrheiten, um das Abkommen in Kraft zu setzen. Diese Lage scheint sich aber unter dem Eindruck der russischen Invasion in der Ukraine und der sich hieraus ergebenden Veränderungen geopolitischer Prioritäten zu ändern. Es scheint sich ein Fenster für neue Freihandelsabkommen zu öffnen. Dies mag sich positiv auf die weiteren Freihandelsbemühungen der EU (etwa mit Indonesien, Malaysia, Indien, USA) auswirken, die sich bisher als sehr zäh erwiesen.
Zumindest gelang es, Ende 2020 nach zähem Ringen ein Handels- und Kooperationsabkommen mit dem Vereinigten Königreich abzuschließen. Aus deutscher Perspektive ist diese Übereinkunft wichtig, denn das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU betrifft die deutsche Industrie sehr stark. Großbritannien ist der fünftgrößte Partner im deutschen Außenhandel und nun einer der wichtigsten Märkte außerhalb der EU. Schon deshalb gilt es, eine möglichst enge Anbindung an die EU aufrechtzuerhalten und die Verhandlungen als Chance zu sehen. Das politische Design dieser Übereinkunft könnte beispielgebend für zukünftige Assoziierungsabkommen werden.
Die weiterhin ambitionierte Freihandelsagenda der Europäer steht seit einigen Jahren in starkem Kontrast zu den Prioritäten der amerikanischen Administrationen. Dies galt in besonderer Weise für die nationalistisch-protektionistische Politik in der Trump-Ära, aber auch der Demokrat und jetzige US-Präsident Joe Biden ist aufgrund der innenpolitischen Gemengelage kein Freihandelsbefürworter. China erfährt diese Form der handelspolitischen Schwerpunktsetzung seit einiger Zeit, was zu einem veritablen Wirtschaftskonflikt zwischen beiden Mächte führte. Insgesamt versuchen die USA über verschiedene Maßnahmen, langfristig ihre Wirtschaft von der chinesischen Volkswirtschaft zu entkoppeln.
Die Unsicherheit über das künftige Verhältnis der beiden größten Volkswirtschaften USA und China geht nicht spurlos an der Weltwirtschaft vorbei, da der Konflikt dazu beitragen mag, globale Wertschöpfungsketten zu verändern. Die Corona-Pandemie wird hier zusätzlich als Beschleuniger einer sinoamerikanischen Entkopplung wirksam werden. Deutschland ist unmittelbar betroffen. Es muss die transatlantischen Beziehungen nach den verlorenen Regierungsjahren der Ära Trump wieder aufrichten und in Bezug auf China – gemeinsam mit europäischen Partnern – zu einer neuen wirtschaftspolitischen Linie kommen, da die Kritik der US-Präsidenten Trump und Biden an Chinas weltwirtschaftlichem Gebaren einen wahren Kern hat. Das Regime in Peking greift lenkend in die Wirtschaft ein, schützt und entwickelt mittels industriepolitischer Eingriffe mächtige Unternehmen und hat als Trittbrettfahrer des globalen Handelsregimes seit seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) mächtig profitiert. Die chinesischen Entscheidungen in der Handels- und Außenpolitik (etwa die Made-in-China-2025-Strategie, die Belt-and-Road-Initiative (BRI), ein neues Cybersicherheitsgesetz und ein sogenanntes Sozialkreditsystem) haben den Europäern deutlich gezeigt, dass China gewillt ist, einen eigenen Weg zu gehen und eine Integration in das Weltwirtschaftsgefüge – wenn überhaupt – nur nach eigenen Regeln anstrebt.
Um trotz dessen ein gemeinsames Level Playing Field für die Weltwirtschaft herzustellen, Zugangsbeschränkungen abzubauen und mehr Fairness und Gegenseitigkeit im Waren- und Dienstleistungsaustausch herzustellen, hat sich die EU Ende 2020 zu einem bilateralen Investitionsabkommen (Comprehensive Agreement on Investment, CAI) mit China durchgerungen. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in China (Xinjiang, Hongkong) erscheint eine Ratifizierung des Abkommens im Europäischen Rat und im Parlament aktuell als weitgehend ausgeschlossen. Bei den seit Jahren hervorgebrachten ökonomischen Kritikpunkten gegenüber China (Marktzugang, Subventionen, erzwungener Technologietransfer) wird sich daher kurzfristig vermutlich wenig bewegen, was zu einer Neubewertung im China-Geschäft führen sollte.
Von immenser Bedeutung für die Exportnation Deutschland ist nicht nur das Verhältnis zu etablierten Handelspartnern und die Anbahnung neuer ökonomischer Beziehungen, sondern auch ein globales Handelsregime, das den reibungslosen grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsaustausch sicherstellt. Diese Aufgabe kommt der WTO zu. Sie soll durch den Abbau von Zöllen und Handelsschranken die multilaterale Zusammenarbeit vorantreiben. Doch immer öfter schließen Staaten bilaterale Freihandelsabkommen und umgehen damit die WTO, auch weil die Organisation als mitgliedergetriebene Institution oft zu schwerfällig agiert. US-Präsident Biden hat zwar auf diesem Feld zumindest die Scherben aufkehrt, die sein Vorgänger hinterließ. Eine aktive Agenda zur notwendigen Ertüchtigung der WTO treibt er jedoch nicht voran. Doch als Schiedsrichter in einer verflochtenen Weltwirtschaft wird die WTO auch zukünftig gebraucht, gerade damit Schwellen- und Entwicklungsländer ihre Positionen einbringen können. Deutschland hat kein Interesse an einer Weltwirtschaftsunordnung und muss gerade in einer Situation, in der die USA sich passiv verhalten, mit anderen Partnern, wie etwa Brasilien, Mexiko oder der Schweiz, energisch an der Reform und Stärkung der WTO arbeiten.
Ebenso bedeutsam wie die Handelspolitik ist für Deutschland die Fähigkeit, sich der Zukunft mit kreativen Antworten zu stellen. Innovationspolitik und der systematische Ausbau nationaler Innovationssysteme stehen auf den Agenden der führenden Wirtschaftsnationen weit oben. Auch die Entwicklungs- und Schwellenländer verfolgen immer mehr eine innovationsorientierte Entwicklungsstrategie und setzten auf die Stärkung von Potenzialen im Bereich von Wissenschaft, Innovation und Humankapital. Insbesondere das Beispiel Chinas zeigt, dass ein strategischer Mittel- und Langfristplan hin zu einer Innovations- und Wissensgesellschaft – zumindest unter chinesischen Bedingungen – funktionieren kann. Ähnlich dynamisch stellen sich aber auch die Entwicklungen etwa in Saudi-Arabien oder Vietnam dar.
Der Aufstieg neuer industrieller Wettbewerber hat der industriepolitischen Debatte in Deutschland neuen Schwung verliehen und setzt politische Kräfte und finanzielle Ressourcen frei, um die Rahmenbedingungen und die Infrastruktur für Forschung und Innovation weiter zu optimieren. Grundsätzlich ist allen Beteiligten klar, dass Deutschland sich langfristig nicht nur auf die kontinuierliche Verbesserung in klassischen Sektoren (Kraftfahrzeugen, Maschinenbau, Chemie) beschränken kann. Vielmehr gilt es, einen neuen gesellschaftlichen Gründergeist zu entfachen und veränderungsbereit sowie technologieoffen zu bleiben. In alternden, saturierten, eher risikoaversen Gesellschaften ist dies wohl eine der schwierigsten Aufgaben für staatliches Handeln.
Gleichwohl ist die deutsche Hightech-Strategie 2025 mit ihren zahlreichen innovationspolitischen Initiativen von diesem Ansinnen geprägt. Sie benennt sechs Herausforderungen, die von besonderer Relevanz für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Wohlstand in Deutschland sind und in denen innovationspolitische Impulse gesetzt werden sollen: Wirtschaft und Arbeit 4.0; Sicherheit; Stadt und Land; Mobilität; Nachhaltigkeit, Energie und Klima; Gesundheit und Pflege. Allerdings liegt es auf der Hand, dass der Staat nur ein begrenztes Instrumentarium hat, um vielversprechende Technologien in diesen Bereichen zu fördern oder den Transfer von der Forschung in die Anwendung zu beschleunigen.
Wichtiger als solche diskretionären Programme und Förderinitiativen ist daher das langfristige staatliche Bekenntnis, der Bildungs-, Innovations- und Forschungspolitik höchste Aufmerksamkeit zu widmen und erforderliche Finanzmittel bereitzustellen. Derzeit wendet Deutschland etwa 3 Prozent seines BIP für Forschung und Entwicklung auf, strebt mit Blick auf führende Wettbewerber wie der Schweiz oder Südkorea mittelfristig aber ein Ziel von 3,5 Prozent an. Freilich müssen solche Steigerungen im Gleichschritt von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft erfolgen.
Um den Strukturwandel hin zu technologieintensiven Branchen zu fördern, wird dieses Zusammenspiel entscheidend sein und könnte auch zu einem Wettbewerbsvorteil werden, der im kooperativen Ansatz der Sozialen Marktwirtschaft bereits angelegt ist. In einer Marktwirtschaft sind es eben private Akteure (Mittelstand, Familien- und Großunternehmen), die verwertbare Innovationen erzeugen – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehören Unternehmenssteuern, die in der Höhe und Ausgestaltung deutsche Unternehmen im Wettbewerb der Industriestandorte nicht benachteiligen, weniger Bürokratie, eine zukunftsfähige Infrastruktur, ein leistungsfähiges Bildungssystem, qualifizierte Fachkräfte, der Digitalisierung angemessene Regulierungen im Wettbewerbs- und Datenrecht sowie Verbesserungen bei der Innovationsfinanzierung.
In all diesen Bereichen zeigen Kennziffern, dass es Verbesserungsbedarf gibt. Richtig ist aber auch, dass internationale Indizes Deutschlands innovationspolitische Anstrengungen durchaus würdigen. So kommt Deutschland im Bloomberg Innovation Index 2021 auf den vierten Rang, nachdem es im Vorjahr sogar zum innovativste Land weltweit gekürt wurde. Für die Rangliste werden diverse Kriterien angegeben, aus denen ein Gesamtsieger hervorgeht. Deutschland punktet demnach vor allem bei Patentanmeldungen, der Dichte von Hightech-Unternehmen und der Wertschöpfung in den hiesigen Fabriken. Im tertiären Bildungssektor, also bei Universitäten und weiteren Hochschulen, liegt die Bundesrepublik international hingegen nur im Mittelfeld. Bei aller Vorsicht, mit der man internationalen Rankings begegnen sollte, zeigen sie auf, dass die stete Debatte über wirtschafts- und innovationspolitische Herausforderungen in der langen Frist durchaus zu bemerkenswerten politischen Entwicklungen führen kann. Dies sollte Ansporn sein, nicht erschöpfte Potenziale zu heben.
Allein die moderate Größe der deutschen Volkswirtschaft für sich allein und das Fehlen von nennenswerten Ressourcen begründet, warum die strategische Auseinandersetzung mit Innovationen eine notwendige Bedingung für den Erhalt und den Ausbau des deutschen Wohlstands ist. In Zukunft wird es für die Entwicklung und Nutzung von Innovationen von zentraler Bedeutung sein, mit verschiedenen innovativen Partnern wie z.B. Vietnam, Kenia, Saudi-Arabien, Brasilien oder der Schweiz zusammen zu arbeiten. Im Nachgang der Corona-Pandemie wird sich die Aufgabe sogar noch dringlicher stellen. Aus der Beschäftigung mit den Themen im vorherigen Abschnitt lassen sich zwei Grundsätze ableiten, um die volkswirtschaftliche Dynamik in Deutschland aufrechtzuerhalten und der krisenbedingten globalen Konjunktureintrübung etwas entgegenzustellen.
Erstens: Beim internationalen Handel ist auf ein Gleichgewicht zwischen Versorgungssicherheit und einem Level Playing Field zu achten, welches durch eine reformierte WTO überwacht und in seiner Bedeutung durch die G20 gewürdigt werden sollte. Dies setzt den kritischen Dialog mit wichtigen Handelspartnern voraus, damit die Globalisierung zum Wohl aller Menschen wirken kann. Der Abschluss von neuen beziehungsweise die Modernisierung bestehender Freihandels- und Doppelbesteuerungsabkommen kann dabei wichtige Impulse geben, weil angemessene Standards und faire Marktzugangsregelungen inkorporiert werden können. Im Rahmen der wieder an Fahrt gewinnenden EU-Mercosur-Verhandlungen käme Brasilien eine Schlüsselrolle zu, um die Verbindungen zu Südamerika zu intensivieren. Gleichzeitig ist das Abkommen ein Lackmustest für die Überführung der Pariser Klimabeschlüsse in rechtsverbindliche Normen. Das bereits ratifizierte Handels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Vietnam, von dem gerade Deutschland besonders profitieren dürfte, stößt die Tür wieder ein Stück weiter nach Asien auf.
Zweitens: Deutschland muss offen sein für technologischen Fortschritt, weshalb nicht nur die ethischen und technologischen Risiken, sondern speziell auch die Chancen von Innovationen beachtet werden sollten. Dabei ist klar, dass Innovationen den Menschen zu einem besseren Leben verhelfen sollen. Es braucht eine Kultur, die Zukunftsoptimismus, Mut und Bereitschaft zu Innovationen (statt Fortschrittspessimismus) fördert. Hier lässt sich gerade in der Ausgestaltung unternehmerischer Rahmenbedingungen eine Menge von anderen Ländern lernen. So gilt etwa das ostafrikanische Kenia aufgrund seiner Start-up-Kultur und seines Digitalisierungseifers als Vorzeigeland unseres Nachbarkontinents. Auch in Saudi-Arabien nimmt man sich einiges vor, um der Öl-Abhängigkeit zu entkommen. Mit einem reformorientierten, aber unumstrittenen Kronprinzen könnte das Land zu einem Laboratorium deutscher Ingenieurskunst beziehungsweise zum Testfeld deutscher Dienstleistungen werden. Allerdings nur, wenn es sichtbare Fortschritte im Bereich der Menschenrechte gibt.
Wenn sich die beiden akzentuierten Grundsätze in praktischer Politik niederschlagen, kann Deutschland sich in Europa als wichtiger Akteur einbringen, so seine Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit stärken – und damit schließlich seinen Wohlstand mehren.
Jan Cernicky leitete bis 08/2020 die KAS-Auslandsbüros in Kenia und der DR Kongo und ist seitdem Referent für „internationale Wirtschaft und Handel“ in der Hauptabteilung Analyse und Beratung.
David Gregosz war Referent für Wirtschaft und Handel in der Hauptabteilung Analyse und Beratung und leitet heute das KAS-Auslandsbüro Polen.
Aktualisiert am: 12.05.2022
SCHWEIZ
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Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht ein zentraler Werte- und Interessenspartner Deutschlands, dies gilt besonders für den Bereich Handel und Innovation. Die Wirtschaften beider Länder sind eng miteinander verquickt: Für die Schweiz war Deutschland mit mehr als 22 Prozent des Außenhandels der wichtigste Handelspartner. Doch auch umgekehrt ist die Schweiz ein zentraler Wirtschaftspartner für Deutschland: So war sie 2020 auf Platz 8 der deutschen Außenhandelspartner (und damit nach den USA, China, dem Vereinigten Königreich das viertgrößte Nicht-EU-Land).
LIBYEN
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Libyen ist zwar das viertgrößte Land auf dem afrikanischen Kontinent, liegt in direkter Nachbarschaft zu Europa und ist reich an Bodenschätzen, spielte aber abseits der üppigen Erdölimporte Deutschlands bislang als deutscher Handelspartner eine eher untergeordnete Rolle. Dies ist verständlich. Die Machtkämpfe verschiedener Fraktionen, die das Land nach dem Sturz Muammar Al-Gaddafis 2011 ins Chaos stürzten und in verschiedenen Bürgerkriegen mündeten, zerstörten nahezu alle Wirtschaftszweige im Land.
SAUDI-ARABIEN
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Die Relevanz Saudi-Arabiens für Deutschlands Wirtschaftsinteressen ergibt sich aus der grundsätzlichen Bedeutung des Landes für Stabilität und Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten, den Bestrebungen zur Modernisierung und Diversifizierung seiner Wirtschaft sowie seinem Ölreichtum.
CÔTE D'IVOIRE
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Côte d‘Ivoire gilt als politischer und wirtschaftlicher Stabilitätsanker in Westafrika. Während es ab Mai 2021 innerhalb von nur acht Monaten zu drei Militärputschen in den Nachbarstaaten Guinea, Mali und Burkina Faso kam, ist es in Côte d’Ivoire ruhig geblieben. Der rohstoffreiche Hub am Golf von Guinea verzeichnet seit 2012 ein anhaltend starkes Wirtschaftswachstum, das mit regelmäßigen Werten von mehr als 6 Prozent deutlich über dem ebenfalls hohen Bevölkerungswachstum von etwa 2,5 Prozent pro Jahr liegt. Lebten im Jahr 2000 noch 16,5 Millionen Menschen in Côte d’Ivoire, so waren es 20 Jahre später bereits 26 Millionen.
KENIA
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Kenia ist einer der stabilsten Staaten Ostafrikas und eine international ausgerichtete Marktwirtschaft. Als größte Volkswirtschaft in Ostafrika ist Kenia ein Wachstumsmotor für die Region. Auch dank der Häfen Mombasa und Lamu sowie des Flughafens in Nairobi ist das Land ein wichtiger regionaler Hub im Handel, im Finanzwesen und Transport. Viele internationale Unternehmen und Organisationen haben Kenia als Sitz ihrer (Ost)Afrika-Niederlassungen gewählt.
BRASILIEN
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Brasilien ist die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas und zählt mit einem BIP von knapp 1,5 Billionen US-Dollar zu den wichtigsten Schwellenländern der Welt. Das Land verfügt über einen Binnenmarkt von 214 Millionen Einwohnern und ist reich an natürlichen Ressourcen.
MEXIKO
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Mexiko ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in Lateinamerika, Mitglied der G20, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie der Welthandelsorganisation (WTO). Die Europäische Union ist nach den USA und China sein drittwichtigster Handelspartner. Wegen der geografischen Nähe zu den USA sowie den wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Verflechtungen beider Länder, insbesondere im Rahmen des im Juli 2020 in Kraft getretenen Nachfolgers von NAFTA – dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen (Tratado comercial entre México, Estados Unidos y Canadá, T-MEC) – spielt Mexiko eine Sonderrolle in diesem wirtschaftlichen Kontext.
TAIWAN
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Taiwan hat sich zu einer führenden markwirtschaftlichen Kraft für Wohlstand und Innovationen im Indo-Pazifik entwickelt. Taiwans Halbleiterhersteller, angeführt vom Weltmarktführer Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), verfügen über einen globalen Marktanteil im Bereich der Halbleiterfertigung (foundry market) von 67 Prozent (Jahr 2020) und bleiben auch mittelfristig unersetzlich für die Chip-Versorgung der deutschen Industrie.
VIETNAM
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Vietnam ist eines von wenigen kommunistischen Ländern. Eine „sozialistisch orientierte Marktwirtschaft“ bestimmt die Ökonomie des Landes, die kommunistische Partei setzt ihren Allmachtsanspruch rigoros durch – und in Berichten zu Menschenrechten wird heftige Kritik an dem Land geübt. Gleichzeitig führten das mehr als drei Jahrzehnte andauernde Wirtschaftswachstum und politische Stabilität dazu, dass sich Vietnam als einflussreicher Akteur in Südostasien etabliert hat.