Deutschlands Interessen – und mit wem sie sich verwirklichen lassen
Die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen
Die Sicherheit und Stabilität Europas sind für die Bundesrepublik Deutschland von höchster Relevanz und müssen folglich seitens der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik prioritär behandelt werden. Im Ergebnis des europäischen Integrationsprozesses der vergangenen 30 Jahre sind die Sicherheitsinteressen Deutschlands in weiten Teilen deckungsgleich mit den Sicherheitsinteressen Europas.
Die Sicherheit und Stabilität Europas sind für die Bundesrepublik Deutschland von höchster Relevanz und müssen folglich seitens der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik prioritär behandelt werden. Im Ergebnis des europäischen Integrationsprozesses der vergangenen 30 Jahre sind die Sicherheitsinteressen Deutschlands in weiten Teilen deckungsgleich mit den Sicherheitsinteressen Europas. Durch die engen politischen und ökonomischen Verflechtungen und wechselseitigen Abhängigkeiten der europäischen Staaten lässt sich auch Sicherheitspolitik nur noch europäisch denken und gestalten. Dies wird besonders deutlich mit Blick auf die in den 1990er Jahren aufgekommene Annahme, Deutschland sei nur noch von Freunden umgeben und könne eine Art Friedensdividende einlösen. Europa hingegen ist seit geraumer Zeit eben nicht mehr nur noch von Freunden umgeben. Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre haben sich nicht nur die Regionen in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas deutlich von Frieden und Stabilität, Freiheit und Demokratie entfernt. Mit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine ist Krieg als Mittel zwischenstaatlicher Auseinandersetzung direkt nach Europa zurückgekehrt. Hierdurch sind Deutschland und seine Verbündeten inzwischen essenziell bedroht.
Frieden und Stabilität innerhalb Europas und deren Projektion in die Nachbarschaft liegen also im vitalen Interesse Deutschlands und sind Basis für Freiheit, Wohlstand und die demokratische Grundordnung der europäischen Staaten. Diese Ordnung wurde nicht erst seit dem 24. Februar 2022, sondern schon durch die Krim-Annexion und verdeckte russische Invasion im Donbass 2014 sowie den russisch-georgischen Krieg 2008 grundlegend angegriffen. Die Erkenntnis, dass im Europa des 21. Jahrhunderts Grenzen wieder gewaltsam verändert werden können, stellt eine tiefe Zäsur in der europäischen Politik dar. Russlands Angriff auf die Demokratie als Staatsform und Gesellschaftsmodell zwingen die Gemeinschaft demokratischer Staaten in EU, NATO und darüber hinaus zu einer strategischen Kehrtwende. Die zunehmende Rivalität zwischen China und den USA verstärkt diese Dynamik noch zusätzlich und wird den Konflikt mit Russland in den kommenden Jahrzehnten als größte Herausforderung ablösen. Gleichzeitig bestehen Bedrohungen durch Terrorismus, Migration und zerfallende Staatlichkeit in Europas südlicher und östlicher Peripherie weiter fort. Diese Entwicklungen führen zu einem Spagat zwischen der Hinwendung zu neuen Aufgaben wie Cyberkriegführung und der Rückkehr zur traditionellen Bündnisverteidigung bei gleichzeitiger Fortsetzung des internationalen Krisenmanagements – wie beispielsweise mit der VN-Friedensmission MINUSMA zur Stabilisierung und Friedenssicherung in Mali. Auch der Austritt Großbritanniens aus der EU, die damit ihren verteidigungspolitisch gewichtigsten Mitgliedstaat verloren hat, trägt zu einer großen Verunsicherung in Deutschland und Europa bei, da erstmals in der Geschichte der europäischen Integration ein Mitglied aus der Union ausgeschieden ist und der Idee einer ever closer union eine deutliche Absage erteilt wurde.
Von Nordafrika und der Sahel-Zone über den Nahen Osten und die Türkei bis hin zur Ukraine und dem Baltikum ist Europa von einem Krisenbogen umgeben. Kriege, Konflikte, zerfallende Staatlichkeit und in der Folge Flucht, Migration und die Fortexistenz terroristischer Organisationen stellen hier die zentralen Herausforderungen deutscher und europäischer Sicherheitspolitik dar. Globale Trends, wie die Auswirkungen des Klimawandels, werden gerade in diesen Regionen verheerend sein und Instabilität, humanitäre Katastrophen sowie fragile Staatlichkeit – bis hin zum möglichen Staatszerfall – befördern. Einen Beitrag zur Befriedung und Stabilisierung dieser Regionen zu leisten, liegt im Interesse Deutschlands und der EU, weil dies direkt zur Sicherheit Europas beiträgt. Hinsichtlich der militärischen und politischen Unterstützung der Ukraine und ostmitteleuropäischer Partner in EU und NATO gegenüber Russland kann dabei kein Zweifel bestehen, dass Deutschland neben einer moralischen Verpflichtung auch ein essenzielles Interesse daran hat, die territoriale Integrität und Souveränität dieser Verbündeten vehement zu verteidigen. Mit Blick auf Staaten wie Syrien, Libyen, Jemen und den Irak ergibt sich außerdem ein hohes Maß an humanitärem und entwicklungspolitischem Handlungsbedarf, dem sich gerade Deutschland sehr verpflichtet fühlt.
Auch wenn der Fokussierung auf Sicherheit und Stabilität in und um Europa eine besondere Bedeutung zukommt, so muss Deutschland seinen Blick dennoch verstärkt auf weiter entfernte Weltregionen richten. Viele Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika gewinnen im Kontext der Systemkonkurrenz zwischen Russland, China und dem Westen an strategischer Bedeutung – und Deutschland sollte sich darum bemühen, Partnerschaften in diesen Regionen auf- und auszubauen. Als Nation, deren Wohlstand zu großen Teilen von Export, freiem Handel und sicheren Seewegen abhängt, hat Deutschland ein großes Interesse an der Stabilität von Gebieten, die von zentraler Bedeutung für den Welthandel sind. Hierzu gehören etwa das Horn von Afrika mit der Einfahrt ins Rote Meer, der Persische Golf mit der Straße von Hormus und das Südchinesische Meer mit der Straße von Malakka. Vor dem Hintergrund der wachsenden Systemkonkurrenz und der zunehmenden Großmachtrivalitäten sollte Deutschland seine Beziehungen zu Weltregionen, die hiervon besonders betroffen sind, ausbauen, um Alternativen zum chinesischen oder russischen Staats- und Gesellschaftsmodell anzubieten. Angesichts des steigenden Drucks auf die regelbasierte liberale Weltordnung sollte Deutschland Partnerschaften und Kontakte zu Nationen pflegen (über die EU und NATO hinaus), die das westliche Wertemodell vertreten und multilaterale Organisationen schützen und stärken. Hierzu gehören insbesondere Japan, Australien und Neuseeland, aber auch Indien und Südkorea.
Die weltweite sicherheitspolitische Lage hat sich in den vergangenen Jahren fundamental gewandelt und betrifft Deutschland und Europa in existenziellem Maße. Die revisionistische Außenpolitik Russlands hat die Lage in Europa grundlegend verändert. Daneben ist der politische, militärische und technologische Aufstieg Chinas die größte geopolitische Machtverschiebung im internationalen System der vergangenen Jahre. Der damit einhergehende Politikwandel Pekings von außenpolitischer Zurückhaltung zu selbstbewusstem – teilweise aggressivem – Großmachtstreben (insbesondere im indopazifischen Raum), aber auch hin zu steigender globaler Einflussnahme ist die zweite grundlegende sicherheitspolitische Lageänderung.
Im Zusammenhang mit der revisionistischen Politik Russlands und dem Schreckensszenario eines strategischen Bündnisses der beiden Großmächte wurde deutlich, dass die USA alleine mittelfristig nicht in der Lage sein werden, beide Rivalen gleichzeitig einzuhegen. Der komfortable Vorsprung, über den die US-Streitkräfte gegenüber den russischen und vor allem den chinesischen Streitkräften bei modernen Waffensystemen in qualitativer wie auch quantitativer Hinsicht im Jahr 2000 noch verfügten, hat sich deutlich verringert. Dass der gigantische Ressourceneinsatz der USA in Afghanistan und im Irak hierfür einer der Hauptgründe ist, erscheint vielen Europäern als historische Randnotiz, prägt allerdings maßgeblich das aktuelle strategische Denken in Washington. Auch das umfassende Engagement Washingtons nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, in dessen Zuge erstmalig wieder über 100.000 US-Soldatinnen und -Soldaten in Europa stationiert wurden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Vereinigten Staaten künftig verstärkt auf einen möglichen militärischen Konflikt mit China und die Unterstützung der Verbündeten und Partner im indopazifischen Raum konzentrieren werden. Sie erwarten von den Europäern, dass diese die russische Bedrohung auf dem eigenen Kontinent im konventionellen Bereich zu großen Teilen eigenständig ausbalancieren und auch die Hauptrolle bei der Stabilisierung der benachbarten MENA-Region mit Blick auf zerfallende Staatlichkeit, Flucht, Migration und Terrorismus übernehmen. Die volatile Situation im Nahen Osten und Nordafrika bildet neben Russland und China die dritte große außen- und sicherheitspolitische Herausforderung für Deutschland und Europa, zumal sich die Folgen von Krieg und Chaos hier unmittelbar auswirken.
Neben klassischen Bedrohungen durch zwischen- oder innerstaatliche Gewalt treten seit einigen Jahren neue Herausforderungen für die Sicherheitspolitik auf wie hybride Kriegführung, Gefahren aus dem Cyberraum und die sich abzeichnende technische Revolution in der Kriegführung infolge der Entwicklung autonomer Waffensysteme. In diesem Zusammenhang stellen sich Fragen nach dem Grad der menschlichen Kontrolle über künftige Waffensysteme, der ethischen Dimension beim Einsatz autonomer und automatisierter Waffen, völkerrechtlichen Implikationen, Möglichkeiten der Begrenzung von Proliferation innovativer Rüstungstechnologien und letztlich der Resilienz von Staaten und Gesellschaften gegen neuartige Waffentypen. Hinzu kommen als übergeordnete Themen die sicherheitspolitischen Auswirkungen von Epidemien und Pandemien (wie die Corona-Krise deutlich vor Augen führt), aber auch von Klimawandel und demografischen Umwälzungen.
Die multilaterale, liberale Weltordnung, die Grundlage und fester Referenzrahmen für außen- und sicherheitspolitisches Handeln Deutschlands ist, wird inzwischen offen durch Moskau und Peking angegriffen. Für Deutschland als Mittelmacht liegt die regelbasierte internationale Ordnung im nationalen Interesse. Der drohende Zerfall dieser Ordnung würde sich verheerend auf die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik auswirken, da sich kaum ein anderes Land der Welt so gut an die regelbasierte multilaterale Ordnung angepasst und so enorm von ihr profitiert hat wie Deutschland.
Die deutsche Sicherheitspolitik basiert auf drei strategischen Grundpfeilern. Eine Grundfeste der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik ist ihre Europaorientierung mit der starken deutsch-französischen Kernkomponente. Die europäische Integration, institutionalisiert in der EU, bildet einen zentralen Rahmen für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Wichtige Schritte im Bereich der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsintegration wurden in den vergangenen Jahren angestoßen, um stärker für die eigene Sicherheit und die Stabilität in der europäischen Nachbarschaft eintreten zu können. Dies ist stets als Ergänzung zum europäischen Pfeiler der NATO zu verstehen („transatlantisch bleiben, europäischer werden“) und als europäischer Beitrag für eine fairere Lastenverteilung.
Außerdem ist Deutschland – trotz aller sicherheitspolitischen Veränderungen und globalen Machtverschiebungen – fest verankert im transatlantischen Bündnis. Die NATO und die transatlantischen Sicherheitsgarantien bleiben bis auf Weiteres unverzichtbar für Deutschland und Europa und bilden das Rückgrat der deutschen Sicherheitspolitik. Selbst wenn die Europäer bei der Verteidigungsintegration weitere Fortschritte machen sollten, sind die USA aber gegenwärtig und voraussichtlich noch auf Jahre die einzige Nation, die in der Lage – und unter bestimmten Voraussetzungen willens – ist, Deutschland und seine europäischen Verbündeten gegen jedwede Bedrohung effektiv zu schützen. Vor diesem Hintergrund muss Deutschland seine politischen Zusagen bezüglich der Verteidigungsausgaben einhalten und bei der Wiederherstellung der Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung eine führende Rolle unter den europäischen Staaten einnehmen.
Der dritte Pfeiler der deutschen Sicherheitspolitik ist die multilaterale, liberale Ordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich von den USA geschaffen wurde und die in der Charta der Vereinten Nationen kodifiziert ist. Liberale Normen und Regeln, multilaterale Institutionen wie die VN mit ihren zahlreichen Unterorganisationen sowie die NATO, G7 und OSZE bilden den Kern dieser Weltordnung.
Spätestens seit 2014 und dem Münchner Konsens diskutiert Deutschland über ein „entschiedenes, früheres und substanzielleres“ außenpolitisches Engagement in der Welt. Eng damit verbunden ist auch die Debatte über mehr Verantwortung in der Sicherheitspolitik und den Einsatz militärischer Mittel. Durch Russlands Angriff auf die Ukraine müsste nun auch dem Letzten klargeworden sein, dass eine bedingungslose Appeasement-Politik, das Vertrauen auf ökonomische Interdependenz unter dem Stichwort „Wandel durch Handel“ und die Hoffnung, Russland und China in die regelbasierte Weltordnung einbinden zu können, gescheitert sind. Europa muss die gestiegene weltweite Bedrohungslage anerkennen und sich intensiver für die eigene Sicherheit, die Stabilität der europäischen Nachbarschaft und die Stärkung der multilateralen Weltordnung einsetzen. Deutschland als größter und wirtschaftlich stärkster Nation im Zentrum des Kontinents fällt dabei eine Schlüsselrolle zu. Hinzu kommt, dass Deutschland als weltweit stark vernetzte Exportnation in hohem Maße von Stabilität und Sicherheit sowie von der regelbasierten multilateralen Ordnung, die maßgeblich von den USA und anderen bereitgestellt wurde, profitiert hat, selbst allerdings nur einen sehr begrenzten Beitrag für die Sicherheit Europas und angrenzender Regionen beisteuert. Um die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands und Europas zu stärken, sollte sich Berlin zuallererst auf die Landes- und Bündnisverteidigung als Kernaufgabe der Sicherheitspolitik zurückbesinnen. Dazu muss Deutschland auch strukturelle Anpassungen vornehmen und seine strategische Kultur stärken. Zuletzt gilt es ebenfalls international Partnerschaften zu regionalen Stabilitätsankern auf- und ausbauen.
Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung: Deutschland muss heute zum Schutz Europas alle für Abschreckung und Verteidigung nötigen Kräfte, Fähigkeiten und Maßnahmen wiederherstellen, derer es bedarf, um in einem potenziellen Konflikt bestehen zu können. Nur dies erzeugt letztlich die abschreckende Wirkung, die sicherstellt, dass ein Krieg nie tatsächlich geführt und die Sicherheit sowie Stabilität Europas und seiner Nachbarschaft gewahrt wird. Dazu muss Deutschland die Bundeswehr angesichts der grundlegend veränderten Bedrohungslage und des rasanten waffentechnologischen Fortschritts für die kommenden zwei Jahrzehnte bestmöglich aufstellen und seine Streitkräfte wieder zur Führung hochintensiver Gefechte in allen Dimensionen der Kriegsführung – Land, See, Luft sowie Cyber- und Informationsraum – befähigen. Zielmarke sind dabei alle im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr festgelegten militärischen Beiträge, insbesondere die der NATO zugesagten drei einsatzbereiten Divisionen mit acht bis zehn Kampfbrigaden, 25 Kampfschiffe und acht U-Boote sowie vier multinationale Kampfgeschwader bis 2032. Um dies zu erfüllen muss die materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr verbessert werden, indem das angekündigte Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für Investitionen in Ersatzteile, Munition und persönliche Ausrüstung sowie die Beschaffung moderner Waffen- und Führungssysteme für die Bundeswehr aufgewendet wird. Darüber hinaus muss die Politik mittelfristig neue Methoden der Personalgewinnung für die Bundeswehr definieren, um die selbstgesteckte Zielgröße von 203.000 Soldatinnen und Soldaten zu erreichen.
Strukturelle Anpassungen: Angesichts der veränderten komplexen Bedrohungslage wäre es ratsam, dass Deutschland die eigene Sicherheitsarchitektur anpasst, um auf die Aufgaben des 21. Jahrhunderts besser vorbereitet zu sein. Der Bundessicherheitsrat sollte, um die eigene außen- und sicherheitspolitische Strategiefähigkeit zu verbessern und um im Krisenfall rasch und effizient vernetzt handeln zu können, weiterentwickelt werden. Er sollte dem Ansatz der vernetzten Sicherheit Rechnung tragen und Vertreter aus unterschiedlichen Ressorts zusammenbringen. Auch auf europäischer Ebene sollte ein Sicherheitsrat eingerichtet werden, um die EU als außen- und sicherheitspolitischen Akteur zu stärken. Ein Europäischer Sicherheitsrat würde eine klare und schnelle Reaktion der EU auf Krisen und sicherheitspolitische Entwicklungen erleichtern und würde dafür Sorge tragen, dass – gemeinsam mit den bereits bestehenden Institutionen und Ämtern – die EU mit einer Stimme spricht.
Strategische Kultur stärken: Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung steht einer aktiveren sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands und insbesondere dem Einsatz der Bundeswehr im Ausland noch immer zurückhaltend gegenüber. Auch deutsche Entscheidungsträger tendieren zu einem reflexhaften Nein, wenn es um den Einsatz militärischer Mittel geht. Der Krieg gegen die Ukraine hat erste konträre Denkanstöße in Politik und Öffentlichkeit gegeben und zu einem zaghaften Abrücken von dieser skeptischen Sichtweise auf Sicherheitspolitik und von angestammten Positionen, wie dem kategorischen ‚Nein‘ zu Waffenlieferungen in Konfliktgebiete, geführt. Dieses Momentum sollte genutzt werden, indem strategische Fragen künftig nicht mehr nur im Kreise außen- und sicherheitspolitischer Eliten geführt, sondern auch mit der deutschen Öffentlichkeit diskutiert und besprochen werden. Politische Bildungsmaßnahmen und verstärkte öffentliche Debatten zu sicherheitspolitischen Fragen können die Bevölkerung dazu anregen, sich vermehrt mit strategischen Themen auseinanderzusetzten
Partnerschaften zu regionalen Stabilitätsankern auf- und ausbauen: Deutschland sollte sich bemühen, die Beziehungen zu Ländern zu stärken, die als regionale Stabilitätsanker für Europa und die europäische Nachbarschaft wichtig sind. Dadurch kann Berlin zum einen konkret zur Stabilisierung der europäischen Nachbarschaft und weiteren Weltregionen beitragen und zum anderen – angesichts der geopolitischen Veränderungen und der zunehmenden Systemkonkurrenz – Ländern eine echte Alternative zu China oder Russland bieten. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die in diesem Sammelband genannten Staaten, mit denen die sicherheitspolitische Zusammenarbeit, der bilaterale Austausch und Initiativen zur Ertüchtigung ausgebaut werden sollten. Eine solche intensivierte Zusammenarbeit mit potenziellen Partnerstaaten würde zu deren Rückversicherung und Stärkung beitragen und gleichzeitig dazu führen, dass ihre Perspektive auch stärker in die deutsche Politikformulierung einfließt und Deutschland von der Erfahrung dieser Länder lernt.
Nils Wörmer ist Leiter „Internationale Politik und Sicherheit“ in der Hauptabteilung Analyse und Beratung.
Philipp Dienstbier ist Referent für Transatlantische Beziehungen in der Hauptabteilung Analyse und Beratung.
Daniela Braun war Referentin für Außen- und Sicherheitspolitik in der Hauptabteilung Analyse und Beratung.
Aktualisiert am: 14.05.2022
BELARUS
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Als fünftes Land der Region Europa und Nordamerika wurde zur Entstehungszeit des Partner-Atlas (2019) Belarus gewählt. Die anhaltenden Repressionen im Nachgang der gefälschten Präsidentschaftswahlen 2020 lassen es jedoch nicht mehr zu, an eine vertiefte Sicherheitspartnerschaft mit dem Regime unter Aliaksandr Lukaschenka zu denken.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung unterhält weiterhin eine aktive Arbeit zu Belarus. Bitte besuchen Sie die Webseite des Länderbüros sowie unsere Social Media Accounts auf Facebook, Twitter, YouTube und Instagram (@KasBelarus), um die aktuellsten Informationen und Analysen zur Situation zu erhalten.
ALGERIEN
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Als flächenmäßig größtes Land Afrikas, Scharnierstaat zwischen der MENA-Region, sowie der Sahelzone und unmittelbarer Nachbar besitzt Algerien eine natürliche Relevanz für Deutschland und Europa. Die Armee besitzt als Institution einen hohen Stellenwert und die Verteidigungsausgaben liegen stabil bei 6% des BIP.
JORDANIEN
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Jordanien gilt spätestens seit dem „Arabischen Frühling“, der viele Länder der Region in ihren Grundfesten erschütterte, als Stabilitätsanker. Für die deutsche Außenpolitik ist die Aufrechterhaltung dieser Stabilität von zentralem Interesse.
KATAR
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Als zweitkleinstes Land der arabischen Golfregion (und einem Anteil von weniger als 15 Prozent katarischer Staatsbürgerinnen und -bürger an der Gesamtbevölkerung) findet sich Katar in einer Nachbarschaft wieder, in der die Furcht vor hegemonialen Ambitionen größerer Staaten sowie die Erinnerung an die Blockade durch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten von 2017 bis 2021 fortwirkt.
CÔTE D'IVOIRE
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Mit ihrem sicherheitspolitischen Engagement in Westafrika fokussiert sich die deutsche Außenpolitik seit Jahren auf Mali und seine Nachbarstaaten – auch bekannt als Sahel-Region, deren Stabilität durch die räumliche Nähe zu Europa für Frieden und Sicherheit hierzulande unmittelbar relevant ist. Dennoch sollte der geografische Blick geweitet werden, denn Dschihadismus, ethnische Konflikte und organisierte Kriminalität breiten sich verstärkt in ganz Westafrika aus.
NIGERIA
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Mit etwa 216 Millionen Einwohnern ist Nigeria nicht nur das bevölkerungsreichte Land Afrikas, sondern auch seit einigen Jahren die größte Volkswirtschaft des Kontinents. Das Land ist reich an Öl- und Gasvorkommen und zählt zu den größten Erdölexporteuren der Welt. Dennoch steht Nigeria vor immensen Sicherheits- und Wirtschaftsproblemen, die infolge der Corona-Pandemie größer geworden sind. Diese könnten mittel- bis langfristig die gesamte Region weiter destabilisieren und Europa vor große Herausforderungen stellen. Letzteres betrifft sowohl das europäische Interesse, die Staaten des Sahel bei ihrem Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen, als auch irreguläre Migration aus Afrika zu unterbinden.
BRASILIEN
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Brasilien ist das größte Land in Südamerika, die fünftgrößte Nation der Welt und die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas. Darüber hinaus umfasst es mehr als 60 Prozent des größten Tropenregenwaldes der Welt, den Amazonas, und hat einen hohen Anteil an erneuerbaren Energiequellen in seiner Energiematrix. Die geografische Lage des Landes, seine Größe, seine wirtschaftliche Bedeutung und die Wichtigkeit der Bewahrung seiner natürlichen Ressourcen für die Bekämpfung der weltweiten Klimakrise belegen die zentrale Rolle, die Brasilien bei der Gewährleistung und Aufrechterhaltung der globalen Klima-, Energie- und Ernährungssicherheit spielt.
KOLUMBIEN
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Kolumbien hat im Kontext der Systemkonkurrenz zwischen Russland, China und westlichen Demokratien für Deutschland und Europa als Wertepartner und regionaler Stabilitätsanker erhebliche strategische Bedeutung. Mit Blick auf Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft, Fläche und Ressourcenreichtum zählt das Land zu den wichtigsten Ländern Lateinamerikas.
MEXIKO
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Im Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität, Drogenhandel und Durchdringung des Staates durch kriminelle Gruppen steht Mexiko – regionale Führungsmacht und G20-Mitglied – vor besonderen Herausforderungen, die sowohl die innere als auch die regionale Sicherheit betreffen. Angesichts der grenzüberschreitenden, sogar weit über den amerikanischen Kontinent hinausreichenden Auswirkungen der Organisierten Kriminalität in Mexiko, den Migrationsbewegungen aus Zentralamerika und anderen Weltregionen durch Mexiko in Richtung USA und dem signifikanten wirtschaftlichen Potenzial als Produktionsstandort mit gut qualifizierten Arbeitskräften und einem durch die nordamerikanische Freihandelszone privilegierten Zugang zum US-amerikanischen Markt ist das Land für die Stabilität der Region von großer Bedeutung.
KASACHSTAN
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Die Weltausstellung Expo 2017, ein nichtständiger Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (2018), die Friedensgespräche zu Syrien: Kein Land in Zentralasien orientiert sich so in Richtung Europa und Deutschland wie Kasachstan. Trotzdem blieb vieles, was in Kasachstan und Zentralasien auch in jüngster Zeit geschehen ist, in Deutschland unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Dabei ist besonders Kasachstan in vielen strategischen Fragen von zunehmender Bedeutung.
USBEKISTAN
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Seit Ende 2016 vollzieht Usbekistan einen Liberalisierungs- und Öffnungskurs. Für die weitere Entwicklung des Landes werden umfassende Fünf-Jahres-Entwicklungsstrategien umgesetzt, die unter anderem Reformpläne in der Sicherheits- und Außenpolitik des Landes beinhalten. Usbekistan verfolgt eine multilaterale und proaktive Außenpolitik.