Potenzielle Partner – und was uns mit ihnen verbindet
Europa und Nordamerika
Europa und Nordamerika sind für die Außenpolitik Deutschlands primärer Bezugspunkt und die maßgeblichen – wenngleich auch nicht einzigen relevanten – Regionen, auf die alles außenpolitische Handeln ausgerichtet werden muss. Dabei bilden die EU sowie die transatlantische Partnerschaft, versinnbildlicht durch die NATO, die Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik.
Europa und Nordamerika sind für die Außenpolitik Deutschlands primärer Bezugspunkt und die maßgeblichen – wenngleich auch nicht einzigen relevanten – Regionen, auf die alles außenpolitische Handeln ausgerichtet werden muss. Dabei bilden die EU sowie die transatlantische Partnerschaft, versinnbildlicht durch die NATO, die Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik.
Die EU ist für Deutschland fraglos die entscheidende (nicht nur außenpolitische) Handlungsbasis. Das gemeinsame Vorgehen in der EU ermöglicht Deutschland, global eine Rolle zu spielen und gemeinsame europäische Interessen zu vertreten. Zudem ist die EU eine Wertegemeinschaft, deren Mitglieder normative Vorstellungen, gemeinsame Geschichte und Kultur teilen. Deutschland hat deshalb ein existenzielles Interesse daran, die EU als funktionsfähigen Rahmen zu erhalten. Dieser Rahmen ist jedoch prekär. Der Brexit, aber auch tiefgehende strukturelle Herausforderungen zeigen die Fragilität der EU auf. Die Corona-Pandemie wirkt darüber hinaus als Katalysator für die spätestens seit der Finanzkrise bestehenden divergierenden Realitäten zwischen Nord- und Südeuropa. Es bedarf deshalb fortwährender Anstrengungen, die EU angesichts innerer und äußerer Herausforderungen zu erhalten und fortzuentwickeln.
Die transatlantischen Beziehungen sind und bleiben eine weitere zentrale Säule der deutschen Außenpolitik. Auch sie basieren auf gemeinsamen Werten – wie auch auf gemeinsamen Interessen. Die gemeinsame Wertebasis fußt auf der unantastbaren Würde des Menschen sowie der Freiheit und Verantwortung des Individuums. Diese gemeinsame Basis besteht weiterhin und Deutschland ist mit keiner anderen Weltregion außerhalb Europas enger verbunden. Der Russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu einem engeren Zusammenrücken der NATO-Partner geführt, zwei weitere, bisher neutrale Länder – Schweden und Finnland – haben Beitrittsanträge gestellt.
Gleichwohl sind die transatlantischen Beziehungen einem Wandel unterworfen, der eine Neubestimmung notwendig macht. Dies gilt gerade im Bereich der Interessen. Hier wird zunehmend die Frage gestellt, welche konkreten Interessen Deutschland insbesondere mit den USA tatsächlich verbinden. Auch sich differenzierende Prioritäten – etwa mit Blick auf Asien – haben die Frage aufgeworfen, in welchem Maße die USA und Europa Hauptpartner bleiben.
Über diese beiden Säulen hinaus bestehen in Europa jedoch weitere Wertepartnerschaften und interessenbasierte Beziehungen Deutschlands zu anderen Akteuren, die es auszuloten und – wo sinnvoll – zu vertiefen gilt. Zuvorderst zu nennen ist hier die Schweiz, welche aufgrund ihres Selbstverständnisses als neutraler Staat weder EU noch NATO angehört, aber als direktes Nachbarland und wegen seiner vielschichtigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verflechtung mit Deutschland einen besonderen Stellenwert in der deutschen Außenpolitik einnimmt. Hinzu kommt, dass die Schweiz mit Deutschland einen breiten Wertekanon teilt und deshalb gerade in Zeiten der transatlantischen Unsicherheit, der Fragilität innerhalb der EU und der geopolitischen Konkurrenz von autokratischen Staaten als wichtiger Partner Deutschlands zur Stärkung internationaler Normen (nicht zuletzt in den multilateralen Organisationen) verbleibt.
Außerdem verdient auch die EU-Nachbarschaft ein besonderes Augenmerk, nicht nur weil die Staaten des Westbalkans sowie Osteuropas laut der EU-Verträge eine Beitrittsperspektive besitzen und dieser Prozess insbesondere auf dem Westbalkan bereits fortgeschritten ist. In jener Region besteht bereits ein reger, vielschichtiger Austausch, welcher im Zuge der EU-Heranführung oder -Beitrittsprozesse der Westbalkanstaaten fortgesetztes und intensiviertes Engagement Deutschlands erfordert. Dies gilt schon allein deshalb, weil der Westbalkan geografisch und kulturell nicht an der Peripherie, sondern im Zentrum Europas liegt. Die Entwicklungen in dieser Region haben unmittelbar Einfluss auf die EU, besonders deutlich wurde dies in der Flüchtlingskrise 2015.
Angesichts des fortdauernden Russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist derzeit nicht absehbar, wie sich das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und den Ländern der östlichen Partnerschaft einerseits sowie der Europäischen Union und Russland andererseits langfristig weiter entwickeln wird.
Die deutsche Außenpolitik ist über ein komplexes Geflecht aus multilateralen Institutionen und bilateralen Initiativen sowie mittels eines breiten politischen Instrumentenkastens in den Mitgliedstaaten der EU und im Austausch mit den transatlantischen Partnern engagiert. Da sich das Augenmerk dieses Artikels auf die Verwirklichung deutscher Außenpolitik mit den europäischen Ländern und Regionen jenseits der EU- und NATO-Mitglieder richtet, soll im Folgenden vor allem die Zusammenarbeit mit diesen Partnern beschrieben werden.
Die Kooperation Deutschlands mit der Schweiz fußt auf einem dichten Vertragswerk, das außerhalb der EU seinesgleichen sucht. Es umfasst mehrere hundert internationale Verträge, deren Kern die Pakete bilateraler Abkommen zwischen der Schweiz und der EU bilden, welche von Personenfreizügigkeit über freien Handel bis hin zur Zusammenarbeit in verschiedensten Politikfeldern die wichtigsten Grundlagen für die deutsche Außenpolitik gegenüber der Schweiz festlegen. Auch auf verschiedenen bilateralen Ebenen und bei der Zusammenarbeit in multilateralen Gremien existiert ein enger Austausch zur Gestaltung gemeinsamer Politik. Die Schweiz ist mit einem Gesamthandelsvolumen von circa 100 Milliarden Euro zudem auf Rang 9 der wichtigsten Handelspartner Deutschlands, Deutschland wiederum ist der größte Handelspartner der Schweiz. Das Land ist darüber hinaus der drittgrößte ausländische Direktinvestor in Deutschland, nach den EU-Staaten und den USA.
Die Zusammenarbeit auf dem Westbalkan ist vor allem durch die Beitrittsprozesse und die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen strukturiert. Einen Rahmen für die deutsche Außenpolitik bildet besonders der Berliner Prozess, eine gemeinsame Initiative von EU-Ländern und der Europäischen Kommission, die die Heranführung der Westbalkan-Länder an die EU und deren letztlichen EU-Beitritt (sowie auch den regionalen Austausch) fördern soll. Mit Blick auf die Länder der östlichen Partnerschaft und Russland ist aufgrund des Russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine derzeit nicht absehbar, wie sich die künftigen Beziehungen langfristig gestalten werden.
Die deutsche Außenpolitik verfolgt ihre Interessen in Europa und Nordamerika bereits jetzt mit vielfältigen Mitteln und in den unterschiedlichsten bilateralen und multilateralen Formaten. Dennoch besteht das Potenzial, diese zielgerichtet weiterzuentwickeln sowie verstärkten Fokus auf einzelne Länder zu legen und somit der außenpolitischen Strategie Deutschlands ein klareres Profil zu verschaffen.
Um das vorhandene Potenzial in Europa und Nordamerika auch über den Status quo hinaus stärker auszuschöpfen, muss es zunächst darum gehen, die geopolitische Rolle Deutschlands noch klarer zu definieren und davon Interessen sowie Handlungsprämissen innerhalb der EU und in den transatlantischen Beziehungen abzuleiten. Daraus ergeben sich die konkreten Schritte für die Beziehungen zu anderen Staaten. Es ist zu vermuten, dass die Ausbreitung des Coronavirus und die Folgen für Europa noch einmal zu einer verstärkten Erwartungshaltung gegenüber Deutschland (je nach Bewältigung der Krise hier) führen wird. Der eingeschlagene Weg, mehr Verantwortung zu übernehmen und dies etwa auch sicherheitspolitisch zu untermauern, muss nach ersten Schritten konsequent weiter gegangen werden. Dazu gehört, dass Deutschland verstärkt auch Position beziehen und diese Positionen in Europa erklären und mit den europäischen Partnern abstimmen muss. Je nach spezifischer Interessenlage kommen dementsprechend Partner außerhalb der EU ins Spiel, um diese Interessen auch mit Nicht-EU-Mitgliedern zu vertreten und diese Partner als Hebel zu nutzen.
Die Vision einer solch klarer definierten geopolitischen Rolle Deutschlands muss daher von grundlegenden deutschen Interessen aus gedacht werden. Für das im Folgenden genannte außenpolitische Interessensgeflecht gibt es eine Reihe von Anknüpfungspunkten, um ungenutzte Potenziale in Europa für die deutsche Außenpolitik stärker auszuschöpfen. Die Form der Zusammenarbeit kann – ausgehend davon, wie groß das Potenzial zur Zusammenarbeit und die Bereitschaft zur Kooperation in einem Partnerland ist – von eng abgesteckten Kooperationen bis hin zu umfassenden Partnerschaften reichen.
In Südosteuropa sollte Deutschland zur Herstellung von Frieden und Stabilität in der EU-Nachbarschaft eine vertiefte Zusammenarbeit mit Serbien suchen. Bestehende ethnische Spannungen und ungelöste Grenzfragen auf dem Westbalkan bergen die latente Gefahr gewaltsamer inner- und zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen sowie das Risiko von Grenzneuziehungen anhand ethnischer Zugehörigkeit. Externe Akteure versuchen, ethnische Spannungen zu instrumentalisieren; Serbien ist Einfallstor für Versuche regionaler Einflussnahme. Um eine Aufrechterhaltung der Sicherheit und Stabilität in der Region sicherzustellen, ist es im deutschen Interesse, die Resilienz Serbiens gegen externe Einflussnahme zu stärken und auf eine konstruktive serbische Außenpolitik hinzuwirken.
Serbien sollte darüber hinaus auch weiterhin als Partner zur Regulierung globaler Migrationsströme in den Blick genommen werden. Deutschland ist das Hauptauswanderungsziel der Menschen des Westbalkans, zudem stellt die sogenannte Balkanroute weiterhin einen Transitkorridor für illegale Migration aus dem Nahen Osten und Südasien dar. Daher ist es im deutschen Interesse, den Menschen in der Region wirtschaftliche Perspektiven vor Ort und Möglichkeiten der legalen Fachkräftezuwanderung zu bieten (bei gleichzeitiger Unterbindung illegaler Migration). Serbien als Ankerland des Westbalkans bleibt dabei ein essenzieller Partner.
Des Weiteren bestehen Potenziale, zur Wahrung des Wohlstands durch freien Handel und Innovation auch über die EU hinaus andere europäische Länder stärker in den Blick zu nehmen. Am weitesten fortgeschritten ist hier, wie eingangs beschrieben, der wirtschaftliche Austausch mit der Schweiz. Angesichts des engen Waren- und Dienstleistungshandels und hoher bilateraler Investitionen bedarf es dabei keiner fundamentalen Veränderung. Dennoch sollte die Zusammenarbeit gezielt ausgebaut werden. Gerade bei der Digitalisierung, die auch in Deutschland noch stärker vorangetrieben werden muss, gibt es dafür enormes Potenzial.
Aber auch der Stellenwert der Schweiz als Wertepartner jenseits von EU und NATO sollte bei allem Fokus auf der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Schweiz nicht in den Hintergrund rücken. Aufgrund ihres außenpolitischen Selbstverständnisses als Mittler und Standort vieler internationaler Organisationen, insbesondere der Vereinten Nationen, engagiert sich die Schweiz ähnlich wie Deutschland für eine regelbasierte internationale Ordnung. Gerade in multilateralen Organisationen ist die Schweiz ein enger Alliierter und verfolgt, beispielsweise in Fragen einer WTO-Reform, eine ähnliche Vorstellung. Hier kann die Kooperation durchaus weiter ausgebaut werden.
Die oben umrissenen Möglichkeiten für neue oder verstärkte Partnerschaften in Europa sollen im Folgenden für einzelne Länder im Detail ausbuchstabiert und mit konkreten Politikempfehlungen versehen werden. Dabei wird sich nicht jedes der zuvor genannten Länder wiederfinden, vielmehr werden einzelne Beispiele als Impulse gesetzt, die einen Gedankenanstoß für eine erweiterte Strategieformulierung deutscher Außenpolitik liefern sollen.
Dr. Lars Hänsel ist Leiter „Europa und Nordamerika“ in der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit.
Philipp Dienstbier war bis April 2020 Referent „Osteuropa“ in der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit.
Aktualisiert am: 31.05.2022
BELARUS
Als Partner für die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen
Als fünftes Land der Region Europa und Nordamerika wurde zur Entstehungszeit des Partner-Atlas (2019) Belarus gewählt. Die anhaltenden Repressionen im Nachgang der gefälschten Präsidentschaftswahlen 2020 lassen es jedoch nicht mehr zu, an eine vertiefte Sicherheitspartnerschaft mit dem Regime unter Aliaksandr Lukaschenka zu denken.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung unterhält weiterhin eine aktive Arbeit zu Belarus. Bitte besuchen Sie die Webseite des Länderbüros sowie unsere Social Media Accounts auf Facebook, Twitter, YouTube und Instagram (@KasBelarus), um die aktuellsten Informationen und Analysen zur Situation zu erhalten.
RUSSLAND
Als Partner für die Sicherung wichtiger Ressourcen und der Schutz des Klimas
Zur Entstehungszeit des Partner-Atlas (2019) wurde in der Region Europa und Nordamerika auch Russland als Partner im Bereich Ressourcen und Klimaschutz gewählt. Der Angriffskrieg, den Russland seit dem 24. Februar 2022 gegen die Ukraine führt, lässt es jedoch nicht mehr zu, an eine vertiefte Zusammenarbeit mit dem Putin-Regime zu denken.
Wenn Sie sich über die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ost- und Südosteuropa informieren wollen, besuchen Sie die Webseite der Abteilung Europa und Nordamerika sowie unsere Social Media Accounts auf Facebook, Twitter, YouTube und Instagram, um die aktuellsten Informationen und Analysen zu erhalten.
SCHWEIZ
Als Partner für die Stärkung einer werte- und regelbasierten Weltordnung
Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht ein zentraler Werte- und Interessenpartner Deutschlands. Innen- wie Außenpolitik der Schweiz stützen sich auf denselben Wertekanon von Menschenrechten, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.
SCHWEIZ
Als Partner für die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation
Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht ein zentraler Werte- und Interessenspartner Deutschlands, dies gilt besonders für den Bereich Handel und Innovation. Die Wirtschaften beider Länder sind eng miteinander verquickt: Für die Schweiz war Deutschland mit mehr als 22 Prozent des Außenhandels der wichtigste Handelspartner. Doch auch umgekehrt ist die Schweiz ein zentraler Wirtschaftspartner für Deutschland: So war sie 2020 auf Platz 8 der deutschen Außenhandelspartner (und damit nach den USA, China, dem Vereinigten Königreich das viertgrößte Nicht-EU-Land).
SERBIEN
Als Partner für die Regulierung globaler Migrationsströme
In Bezug auf die Regulierung globaler Migrationsströme hat Serbien für Deutschland eine zentrale Bedeutung. Seit dem Beginn der Flüchtlingskrise von 2014 bewegt sich ein großer Teil der Flüchtlinge aus Nahost, Zentral- und Südasien über die sogenannte Balkanroute. Deren Hauptstrang führt von der Türkei und Griechenland aus über Bulgarien, Nord Mazedonien und Serbien an die EU-Außengrenze mit Ungarn und Kroatien. Dort erschwert sich der weitere Weg, da vor allem die Regierung in Budapest sehr rigide Grenzkontrollen vornimmt, um eine Einreise ohne gültige Reisedokumente zu verhindern.
UKRAINE
Als Partner für die Stärkung einer werte- und regelbasierten Weltordnung
Hinweis: Dieser Artikel spiegelt den Stand von 2020 wider. Eine Aktualisierung ist aufgrund der volatilen Lage in der Ukraine seit dem Angriffskrieg, den Russland am 24. Februar 2022 gegen das Land begonnen hat, nur schwer möglich. Die Rolle der Ukraine als Partner für eine regelbasierte Ordnung hat sich durch den Krieg jedoch in sehr deutlicher Weise bestätigt, weswegen der Artikel an dieser Stelle beibehalten wurde.
Besuchen Sie unsere Themenseite zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, um sich über die Lage zu informieren. Wenn Sie mehr zur Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ost- und Südosteuropa wissen wollen, empfehlen wir Ihnen die Webseite der Abteilung Europa und Nordamerika sowie unsere Social Media Accounts auf Facebook, Twitter, YouTube und Instagram.