PARTNER-ATLAS
Uruguay
Als Partner für die Stärkung einer werte- und regelbasierten Weltordnung
01 — Die Leitfragen zum Partner-Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Uruguay für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Stärkung einer werte- und regelbasierten Weltordnung" zu verwirklichen?
Trotz der bescheidenen Größe hat Uruguay mit seiner beeindruckenden politischen und sozioökonomischen Verfasstheit im lateinamerikanischen Vergleich Modellcharakter. In einer nicht immer stabilen Region blickt das Land auf eine lange demokratisch-republikanische Tradition mit funktionierenden Institutionen und einer vielfältigen Medienlandschaft zurück. Laut der jüngsten Ausgabe des Democracy Index des Magazins The Economist ist Uruguay derzeit das demokratischste Land Lateinamerikas, während es weltweit Platz 15 belegt.
Laut Transparency International ist Uruguay zudem das am wenigsten korrupte Land Lateinamerikas und belegt weltweit Rang 21 (von 168). Uruguay verfügt über eine relativ breite und wohlhabende Mittelschicht, niedrige Armutsraten und ein hohes Maß an gesellschaftlichem Zusammenhalt. Bemerkenswert sind auch eine konsensorientierte politische Kultur, ein vergleichsweise hoch entwickeltes Bildungswesen sowie ein stabiles Parteiensystem.
Das schon seit einigen Jahren mit e-Learning-Konzepten operierende Schulwesen hat die Corona-bedingte Umstellung auf Homeschooling relativ problemlos ermöglicht. Während der Pandemie erwies sich das uruguayische Gesundheitswesens als stabil und belastbar. Das rasche Vorankommen der Impfkampagne half dabei.
Montevideo ist wichtiger Umschlagplatz für lateinamerikanische Güter auf ihrem Weg nach Europa und Finanzzentrum der Region. Die wirtschaftliche Bedeutung sowie Uruguays regionale Rolle als Vermittler (vor allem zwischen Brasilien und Argentinien) sind Gründe dafür, dass Montevideo Sitz der Handelsbündnisse Mercosur und ALADI ist.
Der hohe formelle Anteil am Arbeitssektor, die hohe Kaufkraft des Landes sowie insgesamt günstige Investitionsmöglichkeiten bieten viele Anknüpfungspunkte auch für deutsche Unternehmen. Vor allem im Bereich nachhaltige Energiequellen und digitale Infrastruktur ist Uruguay ein attraktiver Partner für Deutschland und wurde erst kürzlich von Volkswagen für ein Pilotprojekt im Bereich Elektromobilität in Lateinamerika ausgewählt.
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Uruguays, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Uruguay ist auf eine funktionale regionale sowie internationale Einbettung angewiesen und in hohem Maße bereit, sich aktiv für die Stärkung einer werte- und regelbasierten Weltordnung einzusetzen. Dies zeigt sich etwa darin, dass Uruguay zu den 15 UN-Mitgliedsstaaten gehört, die sich in der letzten Dekade am stärksten in UN-Friedensmissionen engagiert haben. Außerdem gehört es aktuell dem UN-Menschenrechtsrat an hat. Regional setzt sich Uruguay für eine Flexibilisierung des Mercosur sowie für eine rasche Ratifizierung des Assoziierungsabkommens mit der EU ein.
Uruguay pflegt traditionell gewohnt, in außenpolitischen Belangen mit verschiedenen Staaten der Welt enge Beziehungen zu pflegen, international bekennt sich das Land zu Multilateralismus und Freihandel. Nach 15 Jahren Regierung einer heterogenen Linkskoalition führt seit dem 1. März 2020 eine bürgerliche Regierung unter Präsident Luis Lacalle Pou die Regierungsgeschäfte, die sich klar gegenüber linksautoritären Staaten der Region wie Venezuela, Kuba und Nicaragua abgrenzt. Auch haben ideologische Gegensätze zu Argentiniens Präsidenten Alberto Fernandéz die Zusammenarbeit der Bruderstaaten zuletzt belastet. Uruguay bekennt sich klar zu westlichen Werten und ist an einer engen Zusammenarbeit mit Europa und den USA interessiert. Gleichwohl nehmen die ökonomischen Verflechtungen mit China stetig zu, was auch einer vertieften politischen Kooperation einhergeht, was nicht zuletzt im Rahmen der Impfkampagne deutlich wurde.
Uruguay ist aufgrund seiner Einwanderungsgeschichte stark mit dem Süden Europas verbunden. Aber auch Deutschland ist ein wichtiger Partner. Deutschland ist in Uruguay hinsichtlich seiner internationalen Rolle hoch angesehen und hat in vielerlei Hinsicht Vorbildcharakter. Ein Beispiel ist etwa die duale Ausbildung, ein anderes die Nachhaltigkeitsagenda, bei der Uruguay vielversprechende Politikkonzepte, beispielsweise im Bereich Kreislaufwirtschaft und Wasserstofftechnologie, vorweisen kann. Außerdem ist Uruguay weltweit führend im Bereich erneuerbare Energien. Bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele im Rahmen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen schneidet Uruguay im südamerikanischen Vergleich gut ab (Platz 2 hinter Chile, weltweit Platz 43).
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Uruguay aktuell in diesem Bereich?
Deutschland und Uruguay verbinden mehr als 160 Jahre diplomatische Beziehungen. Vor allem während der Gründerzeit kam es zu größeren deutschen Einwanderungswellen. Einrichtungen wie die Deutsche Schule genießen im Land hohes Ansehen; die Deutsch-Uruguayische Industrie- und Handelskammer wurde intensiv bei dem Aufbau eines dualen Ausbildungssystems nach deutschem Vorbild eingebunden. Auch im Bereich erneuerbare Energien spielt Know-how aus Deutschland eine wichtige Rolle: ein Umstand, der Uruguays Affinität zu klima- und nachhaltigkeitsfreundlicher Politik unterstreicht.
Deutschland seinerseits unterstützte mit parlamentarischen Delegationen den Transitionsprozess des Landes von der Diktatur (1973 bis 1985) zur Demokratie. Aktuelle Impulse für die bilateralen Beziehungen stellen die Lateinamerika-Karibik-Initiative des Auswärtigen Amts aus dem vergangenen Jahr sowie das EU-Mercosur-Abkommen dar, dessen Ratifizierung Uruguay nachdrücklich unterstützt.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Uruguay in diesem Bereich zu intensivieren?
Aufgrund der beschriebenen Relevanz und der bisherigen Erfahrungen, die die Beziehungen zwischen Deutschland und Uruguay geprägt haben, ist Uruguay ein idealer Verbündeter für die Stärkung des Multilateralismus sowie Freihandels. Das Land bietet sich auch dafür an, die regionale Integration Lateinamerikas zu fördern und den Kontinent näher an Europa zu rücken – beispielsweise durch eine Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens
Die Sympathie der neuen Regierung für die Lima-Gruppe, ein multilaterales Bündnis 14 amerikanischer Staaten zur Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela, sowie die Annäherung an die Pazifik-Allianz bezeugen Uruguays Interesse an Freihandel, Menschenrechte und die Stärkung einer multilateralen Weltordnung. Kooperationspotenzial besteht weiterhin im Bereich der internationalen Verbrechensbekämpfung. Uruguay wurde in den letzten Jahren von lateinamerikanischen Drogenkartellen als Transitland und Ausfuhrweg nach Europa entdeckt. Um zu verhindern, dass Uruguay sich mehr und mehr zur Drehscheibe des global vernetzten Drogenhandels entwickelt, könnten ein Erfahrungsaustausch der Zollbehörden, ein Technologietransfer sowie nachrichtendienstliche Ausbildung in Erwägung gezogen werden.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Deutschland sollte in EU-Kreisen darauf drängen, die Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens entschlossen voranzutreiben. Dies ist nicht nur von geoökonomischem Interesse für Europa, sondern treibt auch die wirtschaftliche Integration Südamerikas entscheidend voran.
Deutschland sollte Uruguay ferner mehr Rückendeckung bei der institutionellen Stärkung sowie Flexibilisierung des Mercosur zukommen lassen, ebenso wie der Annäherung des Bündnisses an die Pazifik-Allianz. Es ist wichtig, Uruguay noch mehr als politischen Verbündeten und nicht nur als sympathisches Urlaubsland und „kleinen Bruder“ Argentiniens wahrzunehmen.
China hat seinen Einfluss in Lateinamerika in den letzten Jahren massiv ausgebaut – auch in Uruguay. China ist der größte Abnehmer uruguayischer Produkte, investiert in strategische Infrastrukturprojekte und baut seine Zusammenarbeit mit den Parteien Uruguays aus.. Gleichzeitig wird die Rolle Chinas und die Gefahr von einseitigen Abhängigkeitsverhältnissen auf dem Kontinent wenig problematisiert. Deutschland sollte hier ansetzen und für eine selbstbewusstere, eigenständige Position der EU in der Region eintreten.
Einen Beitrag dazu könnten konkrete Infrastruktur- und Kooperationsprojekte im Bereich duale Ausbildung, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Logistik leisten. Initiativen der Deutsch-Uruguayischen Handelskammer sollten mit dem Ziel unterstützt werden, deutsche Investoren ins Land zu locken und das wirtschaftliche Potenzial des Landes voll auszuschöpfen. Diese zu nutzen, ist vor allem angesichts der Wiederankurbelung der Wirtschaft und Abfederung der sozialen Folgen der Corona-Pandemie wichtig. Ein weiterhin wirtschaftlich vitales sowie politisch stabiles Uruguay ist von großem Interesse für Deutschland, auch und vor allem im Kontext der Stärkung einer werte- und regelbasierten Weltordnung.
Sebastian Grundberger leitet das KAS-Auslandsbüro Uruguay.
Thomas Schaumberg war Trainee im KAS-Auslandsbüro Uruguay.
Aktualisiert am: 01.06.2022
02 — Auslandsbüro
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