PARTNER ATLAS
TAIWAN
Als Partner für die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation
01 — Die Leitfragen zum Partner Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Taiwan für Deutschland, wenn es darum geht, die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation zu fördern?
Taiwan hat sich zu einer führenden markwirtschaftlichen Kraft für Wohlstand und Innovationen im Indo-Pazifik entwickelt. Taiwans Halbleiterhersteller, angeführt vom Weltmarktführer Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), verfügen über einen globalen Marktanteil im Bereich der Halbleiterfertigung (foundry market) von 67 Prozent und bleiben auch mittelfristig unersetzlich für die Chip-Versorgung der deutschen Industrie. Taiwans Wertschöpfung ist dabei in ähnlicher Weise wie die Deutschlands vom Außenhandel getrieben. Taiwan setzt sich daher sehr stark für freien Handel, die regionale wirtschaftliche Integration und die Stärkung einer regelbasierten globalen Ordnung ein. Taiwans Expertise bei Biotechnologie, Gesundheitswesen, Agrarwissenschaften und Künstlicher Intelligenz setzt Maßstäbe weltweit und ist eine wichtige Stütze für deutsche Entwicklungen in diesen Bereichen. Dabei werden substanzielle Verbesserungen von internationalen Standards und Normen im Sinne einer transparenten Open-Source-basierten Digitalpolitik angestrebt. Taiwans Regierung setzt dabei auf marktstützende, industriepolitische Rahmenbedingungen, von denen öffentliche Dienstleister, Wissenschaft und Unternehmertum direkt profitieren, sei es durch die konsequente Förderung der Entwicklungen im Bereich Industrie 4.0 (in Taiwan: Smart Machinery) und den Aufbau einer agilen öffentlichen Verwaltung. Taiwan kann hier in vielen Bereichen als Vorbild für die auch in Deutschland notwendigen Transformationsprozesse dienen. Die insbesondere durch kleine und mittlere Unternehmen geprägten Industrien beider Länder verfügen über technologische Vorteile, die sich . Auch vor dem Hintergrund der geopolitischen Verwerfungen durch Russlands Invasion in der Ukraine bilden die gemeinsamen ordnungspolitischen Überzeugungen, für die Taiwan und Deutschland in ihren Regionen und in der Welt einstehen, eine wichtige Grundlage zur Vertiefung der Beziehungen.
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft von Taiwan, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Taiwan ist auf der Suche nach Partnern weltweit und hat in den vergangenen Jahren Anreize für taiwanische Unternehmen gesetzt, die Ausrichtung ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten stärker zu diversifizieren. Mit der New Southbound Policy hat Taiwan 2016 eine außenpolitische Rekalibrierung eingeleitet, mit der die Zusammenarbeit mit Partnern im Indo-Pazifik in den Mittelpunkt gerückt ist. Damit sollen vor allem die Handelsbeziehungen gestärkt, die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit gefördert, Expertise und Ressourcen untereinander geteilt und ein breites Fundament für die regionale Integration Taiwans gelegt werden. Taiwans globaler Blick ist vor allem eine dringende Antwort auf die starken wirtschaftlichen Abhängigkeiten vieler taiwanischer Unternehmen vom chinesischen Markt. So gingen 2020 43,9 Prozent der taiwanischen Ausfuhren (vor allem Elektronik) in die VR China und nach . Taiwan sucht auch die enge Zusammenarbeit mit europäischen Partnern, unter denen Deutschland als zentraler Akteur ausgemacht wird. Verhandlungen über ein bilaterales Investitionsabkommen (BIA) mit der EU stehen ganz oben auf der Agenda von Taiwans Regierung.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Taiwan aktuell bei diesem Thema?
Taiwan ist Deutschlands fünftgrößter Handelspartner in Asien, Deutschland Taiwans in Europa. Im Jahr 2021 überstieg das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und Taiwan erstmals die . Im Zentrum der Handelsbeziehungen steht dabei die Lieferung wertvoller Technologien und Maschinen und die Vertiefung der Innovationspartnerschaft in den Bereichen Biotechnologie, Künstliche Intelligenz und Industrie 4.0.
2016 leitete die damals neugewählte Regierung unter Präsidentin Tsai Ing-wen eine Energiewende mitsamt Ausstieg aus der Atomenergie ein. Dabei ist insbesondere deutsche Expertise in den Bereichen der Energie- und Umwelttechnologie und der politischen Umsetzung gefragt. Die Ansiedelung von Windparks und der Ausbau anderer erneuerbarer Energiequellen haben zu einem Anstieg deutscher Investitionen in Taiwan geführt. Auch die starke Orientierung an den UN-Nachhaltigkeitszielen und der Auf- und Ausbau einer „grünen Wirtschaft“ unterstreichen Taiwans Interesse an einer Verstetigung der Beziehungen mit Deutschland und anderen europäischen Partnern.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Taiwan zu diesem Thema zu intensivieren?
Noch viel dringlicher als Deutschland sieht sich Taiwan der Herausforderung gegenüber, Liefer- und Wertschöpfungsketten zu diversifizieren und weniger abhängig von einzelnen Bezugsmärkten zu sein. Hier besteht ein großes Potenzial für die Ausbildung gemeinsamer Positionen und die Durchführung gemeinsamer Kooperationsprojekte, auch auf Drittmärkten. Dies trifft insbesondere auf die Bereiche der Hochtechnologie und der Gesundheitsfürsorge zu. Im Bereich der Hochtechnologien gibt es ein enges Beziehungsverhältnis zwischen taiwanischen und deutschen Wafer- und Chipherstellern. Taiwan begrüßt die Ankündigung des European Chips Act und das Vorhaben der EU, stärker in eigene Fertigungskapazitäten im . Eine stärkere Präsenz taiwanischer Halbleiterhersteller auf dem deutschen und europäischen Markt wird auch deswegen erwogen, weil sich durch Covid-19 und die weltpolitischen Spannungen gerade die Lieferketten im Halbleiterbereich als extrem vulnerabel gezeigt haben.
Ein großes Potenzial für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Taiwan und Deutschland besteht auch im Rahmen der deutschen Indo-Pazifik-Leitlinien und Taiwans eigenem Engagement in der Region, das unter der New Southbound Policy bereits verstärkt wahrgenommen wird. Die Handlungsfelder beider Konzepte zielen auf eine engere außenwirtschaftliche und außenpolitische Hinwendung zu Partnern in der Region, ein breiteres Handels- und Entwicklungsengagement in den Anrainerstaaten und auf die Stärkung multilateraler Foren. Dabei ruft Taiwan internationale Partner auf, sich gemeinsam auf Drittmärkten zu engagieren, und lädt regelmäßig zu eigenen Formaten ein, die den Fachaustausch zum Ausbau der Kompetenzen in Bereichen wie globale Gesundheit, Cybersicherheit, Energieeffizienz und rücken.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Aufgrund der komplexen politischen Rahmenbedingungen der von Deutschland wie dem Großteil der internationalen Staatengemeinschaft akzeptierten Ein-China-Politik, sind die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Taiwan vor allem vom Austausch und der Kooperation im Wissenschafts-, Kultur-, Bildungs- sowie Handelsbereich geprägt. Taiwans Wirtschafts- und Innovationsmodell fußt auf Rechtsstaatlichkeit, demokratischen Werten und der Festigung der globalen Handelsstrukturen auf Basis marktwirtschaftlicher Prinzipien. Damit sind Taiwans Interessen sehr klar formuliert. Sie bilden den Grundpfeiler für Taiwans globales Handeln. Die Beziehungen mit Taiwan sollten daher dem Beispiel einer strategischen Partnerschaft auf Basis klar formulierter gemeinsamer Interessen folgen und insbesondere Formate fördern, in denen auf eine enge Abstimmung mit anderen europäischen Partnern gebaut werden kann.
- Deutschland sollte im Rahmen der Ein-China-Politik auch nicht davor zurückschrecken, seine politischen Beziehungen mit Taiwan selbstbewusst zu unterhalten. Dies kann auf nationaler Ebene eine engere Abstimmung zu Fragen der Ausrichtung des handelspolitischen Engagements beider Länder, auch auf Drittmärkten, umfassen und sollte die Themen Handels- und Innovationspartnerschaft zum Gegenstand regelmäßiger Austauschformate zwischen den Wirtschafts-/Handelsministerien und Praktikern der beiden Länder machen. Deutsche Unternehmen profitieren von einem wachstumsorientierten und robusten Investitionsklima in Taiwan und sollten im Rahmen der deutschen Indo-Pazifik-Leitlinien den Standort Taiwan verstärkt einbinden.
- Taiwan ist – als Wirtschaftsraum – Mitglied der WTO. Deutschland sollte sich aktiv in die Verhandlungen über ein bilaterales Investitionsabkommen zwischen der EU und Taiwan einbringen und auch Taiwans Anliegen bei Partnern unterstützen, Mitglied regionaler Handelsinitiativen wie der Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) und dem Comprehensive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) zu werden.
- Taiwan und Deutschland teilen die Überzeugung, dass soziale Innovationen und langfristige Wettbewerbsfähigkeit das Fundament für die Festigung der demokratischen, freiheitlichen Grundordnung beider Länder sind und auf dieser Basis auch zur Stärkung der internationalen Ordnung beigetragen werden kann. Deswegen sollten insbesondere Initiativen gefördert werden, die die Start-up-Ökosysteme beider Länder stärker miteinander verknüpfen. Die Bundesregierung, Bundesländer und Kommunen sollten im Rahmen der Indo-Pazifik-Leitlinien, im Rahmen von Forschungsinitiativen auf Bundesländerebene und von kommunalen Partnerschaften Austausch- und Investitionsprogramme auflegen, die Projekte junger Unternehmen zur Zusammenarbeit in der Forschung und Entwicklung fördern. Hier gilt es, auch Brücken zu Akteurinnen und Akteuren aus anderen Ländern in Europa und im Indo-Pazifik zu schlagen, um die Entwicklung technologischer Produkte und Dienstleistungen und deren Anwendungen in der Breite auszutesten und zu verankern.
- Taiwan schafft insbesondere im Bereich der Halbleiter- und Chipfertigung, aber auch in anderen zukunftsorientierten Bereichen (wie der datenbasierten Entwicklung Künstlicher Intelligenz, Technologien zur Stärkung der Cybersicherheit und dem Schutz kritischer Infrastrukturen, Innovationen in den Biowissenschaften und im Gesundheitsbereich) Standards, die auch für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit zentral sind. Gemeinsam sollten Taiwan und Deutschland deswegen in einen umfassenden Dialog zur Etablierung von technologischen und industriellen Normen und Standards treten, mit denen technische Handelshemmnisse überwunden, die Qualität von Produkten und Dienstleistungen hochgehalten und eine Stärkung des WTO-basierten globalen Handelssystems verfolgt werden können.
David Merkle ist Referent für China in der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit.
02 — Auslandsbüro
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