PARTNER-ATLAS

SCHWEIZ

Als Partner für die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation

01 — Die Leitfragen zum Partner-Atlas

RELEVANZ: Welche Relevanz hat die Schweiz für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation" zu verwirklichen?

Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht ein zentraler Werte- und Interessenspartner Deutschlands, dies gilt besonders für den Bereich Handel und Innovation. Die Wirtschaften beider Länder sind eng miteinander verquickt: Für die Schweiz war Deutschland mit mehr als 22 Prozent des Außenhandels der wichtigste Handelspartner. Doch auch umgekehrt ist die Schweiz ein zentraler Wirtschaftspartner für Deutschland: So war sie 2020 auf Platz 8 der deutschen Außenhandelspartner (und damit nach den USA, China, dem Vereinigten Königreich das viertgrößte Nicht-EU-Land).

Der Gesamtbestand der schweizerischen Direktinvestitionen in Deutschland Ende 2019 lag bei CHF 62.8 Mrd Franken. Schweizer Unternehmen in Deutschland beschäftigen 2019 rund 260.000 Personen. Schweizerische Unternehmen beschäftigen 2019 in Deutschland rund 263’000 Personen. Die deutschen Direktinvestitionen in der Schweiz beliefen sich Ende 2019 auf 51,7 Milliarden CHF. Im selben Jahr beschäftigten deutsche Firmen rund 123’000 Personen in der Schweiz. Ende 2020 lebten 95.899 Schweizerinnen und Schweizer in Deutschland. Die deutschen Staatsangehörigen stellten 2019 mit über 300.000 Personen nach den italienischen Staatsbürgern die zweitgrößte ausländische Gruppe in der Schweiz.

Ähnlich wichtig ist die Partnerschaft im Bereich Innovation. Weltweit ist die Schweiz einer der innovativsten Staaten überhaupt. Für die Schweiz ist Deutschland der mit Abstand wichtigste Partner im Bereich Forschung und Innovation (vor allem Informations- und Kommunikationstechnologien, Gesundheitswissenschaften, Nanotechnologie). Dies läuft häufig über das EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020: 

Die Assoziierung am Forschungsrahmenprogramm ist jedoch seit Ende 2021 – als nicht unumstrittene Folge des Scheiterns der Gespräche zu einem Schweiz-EU-Rahmenabkommen zur Regelung der beiderseitigen Beziehungen – ausgesetzt.

Genauso wichtig wie die oben genannten Zahlen sind gerade im globalen Kontext die ähnliche ordnungspolitische Ausrichtung (Marktwirtschaft, starke Exportorientierung, Innovationspotenzial) sowie die kompatiblen Vorstellungen zur Rolle und zur Reform der Welthandelsorganisation (WTO).

BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft der Schweiz, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?

Die Bereitschaft der Zusammenarbeit ist grundsätzlich sehr stark ausgeprägt. Das zeigen auch zahlreiche Treffen aller Regierungsebenen: So gibt es jährliche Zusammenkünfte zwischen dem Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) und dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Nicht spannungsfrei ist die Diskussion, wenn es um Modalitäten der Kooperation geht, beispielsweise über die Personenfreizügigkeit von deutschen und europäischen Arbeitnehmern in der Schweiz. Stattdessen: Ein Referendum über die von der nationalkonservativ-europakritischen SVP eingebrachte Kündigungsinitiative, deren Annahme ein Ende der Personenfreizügigkeit bedeutet hätte, wurde im September 2020 mit 61,7% deutlich abgelehnt. Damit blieb den bilateralen Beziehungen zu Deutschland und zur EU eine schwere Krise erspart. Allerdings erklärte der Schweizer Bundesrat im Mai 2021 auch nach 7 Jahren die Gespräche zu einem gemeinsamen Rahmenabkommen mit der EU für beendet – bevor Parlament oder das Stimmvolk die Gelegenheit erhielten, über das Abkommen abzustimmen. Damit wurde vorerst die Chance verpasst, die bislang auf bilateralen Vereinbarungen beruhende Zusammenarbeit auf eine langfristige stabile Basis zu setzen. 

Nun droht das schrittweise Auseinanderleben beider Rechtsräume, das bereits für verschiedene Wirtschaftsbereiche spürbar wird (Strommarkt, Medizintechnik, etc.). Für Unverständnis sorgt in der Schweiz der Ausschluss aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon 2020. Die Kritik stößt in Deutschland in Forschung und Politik zumindest teilweise auf Verständnis (u.a. bei den Forschungsministerinnen Anja Karliczek (unter der letzten Regierung) und Bettina Stark-Watzinger). Grundsätzlich ist die Bereitschaft der Schweiz zur Zusammenarbeit sehr hoch, doch steht sie immer wieder in einem Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftspolitischem Pragmatismus und sehr ausgeprägten Bedenken über mögliche Einschränkungen der eigenen Souveränität.

STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Schweiz aktuell in diesem Bereich?

Die Schweiz und Deutschland verbindet ein enges Geflecht von Partnerschaften nicht nur auf Bundesebene, sondern auch zwischen Bundesländern, Kantonen (Euregio Bodensee, RegioTriRhena, Internationale Bodenseekonferenz) und Kommunen.

Die deutsch-schweizerischen Beziehungen können gerade im Handelsbereich allerdings nicht ohne die europäische Ebene gedacht werden. So hat die Schweiz durch sieben bilaterale Abkommen seit 1999 einen weitgehenden Zugang zum EU-Binnenmarkt. Gemäß einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ist die Schweiz das Land, das am meisten vom Binnenmarkt profitiert. Noch ist offen, wie sehr sich das Scheitern des Rahmenabkommens auf die bilateralen Beziehungen auswirken wird. Bereits jetzt ist dieses für verschiedene Sektoren spürbar, weshalb der Druck insbesondere wirtschaftlicher Akteure auf die Schweizer Politik wächst, nach dem einseitigen Abbruch der Gespräche über ein Rahmenabkommen Brüssel einen klaren Alternativplan für die Zukunft der Beziehungen vorzulegen. Gleichwohl sind wesentliche politische Parteien noch nicht einig, wie ein solcher Plan aussehen könnte.

Im Rahmen der Corona-Krise arbeiten die Schweiz und die EU eng zusammen; die Schweiz strebt nicht nur deshalb ein bilaterales Gesundheitsabkommen mit der EU an.

POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und der Schweiz in diesem Bereich zu intensivieren?

Angesichts der hohen Dichte der bestehenden Zusammenarbeit im Bereich Handel und Innovation bedarf es keiner fundamentalen Veränderung. Gerade im Bereich Digitalisierung gibt es jedoch noch enormes Potenzial der Kooperation und des gegenseitigen Lernens. Ähnliches gilt für die Frage der Zukunft des Datenschutzes; Der Mehrwert einer engeren Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich wurde in der Corona-Krise überdeutlich.

Eine wichtige Gelegenheit, das Potential im europäischen Kontext voll auszuschöpfen wurde mit der Beendigung der Gespräche über das Rahmenabkommen durch den Schweizer Bundesrat vorerst verpasst. Nun wird es darum gehen, pragmatische Lösungen zu finden, um einige bilaterale Verträge aufzudatieren und gleichzeitig einen neuen Anlauf für die Gespräche über die künftige Ausgestaltung der Beziehungen zu nehmen. 

Kurz- und mittelfristig geht es darum, die drohende schleichende Erosion der Beziehungen aufzuhalten und das Verständnis für Befindlichkeiten der anderen Seite zu verbessern. Dabei kann auch ein engerer Austausch auf parteipolitischer Ebene eine wichtige Rolle spielen: Der fehlende Rückhalt in den meisten moderaten politischen Parteien war ein wesentlicher Grund für das Scheitern des Rahmenabkommens.

POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?

Die Beziehungen Deutschlands zur Schweiz sind ein vielschichtiges Netz, das von der kommunalen bis auf die europäische Ebene gespannt ist. Entsprechend muss die deutsche Außenpolitik gegenüber der Schweiz auch von der europäischen, kommunalen oder regionalen Ebene gedacht werden.

Verbesserungsfähig ist das Verständnis für Schweizer Sensibilitäten. Als von großen Nachbarn umgebenes Land gibt es immer wieder eine leise Furcht vor Benachteiligung und Dominanz. Fragen, die aus deutscher oder europäischer Sicht technisch erscheinen, werden in der Schweiz bisweilen sehr politisch ausgelegt. Auch wenn sich Deutschland und die EU substantiell beim Rahmenabkommen kaum etwas vorwerfen lassen müssen, müsste bei Diskussionen über die künftigen Beziehungen wohl noch mehr Rücksicht auf Schweizer Befindlichkeiten (Verzicht auf unnötige Nadelstiche) und Besonderheiten (begrenzte Rolle des Bundesrats, Einbezug von Parteien und Verbänden) genommen werden.

Wichtig wäre darüber hinaus, die Schweiz als Teil des globalen Westens und als zentralen Verbündeten bei der Stärkung einer regel- und wertebasierten multilateralen Weltordnung zu verstehen. Denn die Schweiz ist deutlich mehr als nur ein Partner im Bereich Handel und Innovation. Sie bietet (begründet auf ihrem Image als ehrlicher Makler) Dialog- und Mediationsplattformen – nicht zuletzt durch den internationalen Standort Genf. Zudem macht ihre Positionierung in Gremien der Vereinten Nationen klar deutlich, dass sie zu den Partnern gehört, mit denen Deutschland sehr starke Werte- und Interessensüberschneidungen aufweist. Das zeigte sich auch während der Corona-Krise: In der WTO wandte sich die Schweiz gegen protektionistische Tendenzen. Gleichzeitig stellte sie sich – ebenso wie Deutschland – demonstrativ vor die in der Kritik stehende Weltgesundheitsorganisation. 

Gerade die Jahre 2023 und 2024 – wenn die Schweiz erstmals einen Sitz im UN-Sicherheitsrat innehaben wird – könnten eine Gelegenheit bieten, diese enge Zusammenarbeit mit noch früherem Einbezug der Schweiz in europäische Abstimmungsprozesse zu vertiefen.

Selbst in der Sicherheitspolitik ist die Schweiz somit ein wichtiger Partner Deutschlands – trotz Neutralität und Nicht-Mitgliedschaft in der NATO. Das Land beteiligt sich an mehreren UN- und (zivilen) EU-Missionen und ist ein Partner im Bereich der Terrorismusabwehr. Eine engere Kooperation im Bereich der Cybersicherheit wäre für beide Seiten von Mehrwert. Insgesamt gehört die Schweiz zweifelsohne zum engsten Kreis der Handels-, Wirtschafts- und Wertepartner Deutschlands in der Welt.

Dr. Olaf Wientzek leitet das KAS-Auslandsbüro „Multilateraler Dialog“ in Genf.

Aktualisiert am: 02.05.2022

SCHWEIZ

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04 — Die Region

Europa und Nordamerika

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Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht ein zentraler Werte- und Interessenpartner Deutschlands. Innen- wie Außenpolitik der Schweiz stützen sich auf denselben Wertekanon von Menschenrechten, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.

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Die Schweiz ist in vielerlei Hinsicht ein zentraler Werte- und Interessenspartner Deutschlands, dies gilt besonders für den Bereich Handel und Innovation. Die Wirtschaften beider Länder sind eng miteinander verquickt: Für die Schweiz war Deutschland mit mehr als 22 Prozent des Außenhandels der wichtigste Handelspartner. Doch auch umgekehrt ist die Schweiz ein zentraler Wirtschaftspartner für Deutschland: So war sie 2020 auf Platz 8 der deutschen Außenhandelspartner (und damit nach den USA, China, dem Vereinigten Königreich das viertgrößte Nicht-EU-Land).

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SERBIEN

In Bezug auf die Regulierung globaler Migrationsströme hat Serbien für Deutschland eine zentrale Bedeutung. Seit dem Beginn der Flüchtlingskrise von 2014 bewegt sich ein großer Teil der Flüchtlinge aus Nahost, Zentral- und Südasien über die sogenannte Balkanroute. Deren Hauptstrang führt von der Türkei und Griechenland aus über Bulgarien, Nord Mazedonien und Serbien an die EU-Außengrenze mit Ungarn und Kroatien. Dort erschwert sich der weitere Weg, da vor allem die Regierung in Budapest sehr rigide Grenzkontrollen vornimmt, um eine Einreise ohne gültige Reisedokumente zu verhindern. In den ersten beiden Jahren der Migrationsbewegung erhielt Serbien international ausdrücklich Lob für die humanitäre Hilfsleistung für die Flüchtenden.

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UKRAINE

Seit Beginn des Ostukraine-Konflikts und der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim stehen Teile des Landes nicht unter der Kontrolle Kiews. In der Ukraine entscheidet sich, welchen Stellenwert international anerkannte Grenzen im Europa des 21. Jahrhunderts haben, ob Territorien einseitig verändert werden können und das Recht des (militärisch) Stärkeren wieder Vorrang vor Souveränität, Selbstbestimmung, territorialer Integrität und Unverletzlichkeit der Grenzen haben.

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BELARUS

Als fünftes Land der Region Europa und Nordamerika wurde zur Entstehungszeit des Partner-Atlas (2019) Belarus gewählt. Die anhaltenden Repressionen im Nachgang der gefälschten Präsidentschaftswahlen 2020 lassen es jedoch nicht mehr zu, an eine vertiefte Sicherheitspartnerschaft mit dem Regime unter Aliaksandr Lukaschenka zu denken.

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RUSSLAND

Zur Entstehungszeit des Partner-Atlas (2019) wurde in der Region Europa und Nordamerika auch Russland als Partner im Bereich Ressourcen und Klimaschutz gewählt. Der Angriffskrieg, den Russland seit dem 24. Februar 2022 gegen die Ukraine führt, lässt es jedoch nicht mehr zu, an eine vertiefte Zusammenarbeit mit dem Putin-Regime zu denken.

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