PARTNER-ATLAS
MEXIKO
Als Partner für die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation
01 — Die Leitfragen zum Partner Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Mexiko für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation" zu verwirklichen?
Mexiko ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in Lateinamerika, Mitglied der G20, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie der Welthandelsorganisation (WTO).
Die Europäische Union ist nach den USA und China sein drittwichtigster Handelspartner. Wegen der geografischen Nähe zu den USA sowie den wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Verflechtungen beider Länder, insbesondere im Rahmen des im Juli 2020 in Kraft getretenen Nachfolgers von NAFTA – dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen (Tratado comercial entre México, Estados Unidos y Canadá, T-MEC) – spielt Mexiko eine Sonderrolle in diesem wirtschaftlichen Kontext. Außerdem pflegen Mexiko und die EU eine enge Handelsbeziehung im Rahmen des Mexiko-EU-Abkommens, welches im Jahr 2000 in Kraft getreten ist und momentan einen Modernisierungsprozess durchläuft. Unter den EU-Mitgliedstaaten ist Deutschland sowohl der größte Importeur als auch der größte Exporteur von Waren aus und nach Mexiko. Vor diesem Hintergrund ist hier die starke deutsche Industriepräsenz mit rund 2.000 deutschen Unternehmen in Mexiko hervorzuheben.
Mit rund 80 Prozent an Exporten und 50 Prozent an Importen sind die USA deutlich der größte Handelspartner Mexikos. Diese wirtschaftliche Integration und Abhängigkeit sind zu berücksichtigen, wenn sich die Relevanz Mexikos für Deutschland bei der Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation vor Augen geführt wird. Mexiko ist geografisch, wirtschaftlich, sozial und politisch Teil Nordamerikas und sollte somit in die transatlantische Perspektive unbedingt mitgedacht und eingebunden werden.
Mexiko ist ebenfalls Mitglied des staatlichen Handelsbündnisses der Pazifik-Allianz. Durch diese Mitgliedschaft hat sich das Land eindeutig dem Multilateralismus und dem freien Welthandel verschrieben, wobei dies hinsichtlich der jetzigen Regierung des Präsidenten Andrés Manuel López Obrador nuanciert zu betrachten ist, da dieser kein offensichtliches Bekenntnis für internationale Belange abgibt und dem marktoffenen Weltwirtschaftsmodell ablehnend gegenübersteht.
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Mexikos, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Mexiko ist ebenso wie Deutschland ein föderal strukturiertes Land mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Befugnissen zwischen Nationalregierung und Bundesstaaten. Es ist dementsprechend zwischen der Politik der mexikanischen Nationalregierung und den von den Bundesstaaten durchgeführten Politiken zu differenzieren, da diese zum Teil erhebliche Unterschiede und andere Akzentsetzungen aufweisen und somit verschiedene Grade an Kooperationsbereitschaft widerspiegeln. So haben in Mexiko verschiedene Bundesstaaten ihre Diskrepanz mit den von Präsident López Obrador verfolgten Politiken deutlich gemacht.
Insbesondere die von ihm geförderte Strategie, das bisherige Modell der Investitionsförderung hin zu einer auf globalen Märkten wettbewerbsfähigen Wirtschaft beiseitezulassen und sich in Richtung eines assistenzialistischen Modells zu bewegen, hat in den Bundesstaaten des Bajío (Aguascalientes, Jalisco, Guanajuato, San Luis Potosí und Querétaro) und den dort ansässigen Unternehmen für Bedenken gesorgt. Die Regierungen der Allianz Centro-Bajío-Occidente haben deshalb beispielsweise eine Technologie-Plattform lanciert, durch die Exporte und Investitionen gefördert werden sollen. Dadurch sollen die durch den Handelsaustausch mit den USA und Kanada entstandenen Produktionsketten weiter gestärkt werden, was auch für die europäischen und deutschen Wirtschaftsbeziehungen von großer Bedeutung ist, da dies einen kontinuierlichen Marktzugang für ihre Produkte sicherstellt.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Mexiko aktuell in diesem Bereich?
Durch die Wirtschaftsbeziehung mit den T-MEC-Partnern USA und Kanada ist Mexiko zu einem global bedeutenden Exporteur von Fertigprodukten geworden (die Automobil-, Elektronik- und Raumfahrtindustrie sind an erster Stelle zu nennen). Hier muss berücksichtigt werden, dass die mexikanischen Fertigungskapazitäten in hohem Maße von ausländischen Direktinvestitionen (ADI) abhängen und von Unternehmen, die sich im Land niederlassen, um in diese Exportketten für den nordamerikanischen Markt einzusteigen.
Zudem ist Deutschland zweitgrößter Investor in Mexiko, lediglich die USA verzeichneten im Jahr 2020 mehr ADIs in Mexiko. Mexiko ist somit als Markt und Investitionsstandort für deutsche Unternehmen immer bedeutsamer geworden. Diese Investitionen sind allerdings nicht über das ganze Land gleichmäßig verteilt, sondern rund um regionale Cluster. Vor allem im Zentrum und Westen des Landes sind unter anderem gewichtige deutsche Unternehmen der Automobilindustrie, wie Audi, Mercedes, VW und BMW, ansässig.
Als Folge dieser starken wirtschaftlichen Verflechtungen kamen in den vergangenen Jahren einige gemeinsame Initiativen zustande, welche die Bedeutung des Industriestandortes Mexiko für Deutschland verstärkte. Nennenswert ist hier vor allem die Partnerschaft mit der Deutschen Messe AG, welche 2016 die Tochtergesellschaft Hannover Fairs Mexico gegründet hat und seitdem ein breites Portfolio an Veranstaltungen anbietet, darunter die Industrial Transformation Mexico (ITM), welche jährlich im Rahmen einer Messe Politik, Wirtschaft und Wissenschaft rund um die Themen der digitalen Transformation und Innovation in Mexiko zusammenbringt.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Mexiko in diesem Bereich zu intensivieren?
Wird das modernisierte EU-Mexiko-Abkommen, das im April 2020 fertig verhandelt wurde, stärker in den Blick genommen, ist festzustellen, dass dieses in Bezug auf Werte und Transparenz eines der umfangreichsten ist, was die EU im Bereich des Handels bislang hat. Es beinhaltet ein sehr fortgeschrittenes Kapitel über nachhaltige Entwicklung, welches an die Umsetzung des Pariser Klimaschutz-Abkommens anknüpft, sowie eine Antikorruptionsklausel, was es bisher in keinem anderen EU-Handelsabkommen gab. Obwohl die Ratifizierung und darauffolgende Implementierung des Abkommens noch ausstehen, bieten sich auch hier enorme Chancen für Deutschland, sich als starker Partner im Rahmen eines nachhaltigen, wirtschaftlichen Wiederaufbaus nach der Coronakrise zu beweisen, dies zumindest vorerst (vor dem Hintergrund der Politik der Nationalregierung) vorrangig auf subnationaler und lokaler Ebene.
Angesichts der Debatte über die Stabilität globaler Lieferketten und der Verflechtungen einzelner Herkunftsregionen, den pandemiebedingten Lieferengpässen und der daraus folgenden Tendenz zur Diversifizierung ist es ebenfalls naheliegend, Mexikos Potenzial als Industrieland, transatlantischer Partner und Teil des Handelsraums T-MEC/Pazifik-Allianz stärker in den Blick zu nehmen und die strategisch wichtige Rolle des Landes als Standort der deutschen Industrie zu erkennen und diese Verflechtungen zu vertiefen.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Die Wirtschaftsbeziehung zwischen Mexiko und den USA beruht auf starken gegenseitigen Verflechtungen und es haben sich über die Jahre fest etablierte Produktionsketten herausgebildet. Diese beinhalten auch die Beteiligung von Akteuren aus anderen Regionen wie Deutschland, dessen wachsende Beteiligung im mexikanischen Exportmarkt in die USA immer bedeutender geworden ist.
Für Deutschland liegt hier eine Chance, aber auch die Notwendigkeit, die Unterschiede zwischen Nationalregierung und Bundesstaaten zu erkennen und mit einem vielschichtigen Beziehungsgeflecht von Partnerschaften auf Bundes- und Landesebene und unter Einbeziehung der Privatwirtschaft internationaler zu agieren. Ein langfristiges Ziel sollte es sein, eine effektivere Integration der Region Centro-Bajío in globale Lieferketten zu fördern und das Potenzial mexikanischer Produzenten als Glied von Wertschöpfungsketten deutscher Unternehmen zu sehen. Dabei ist der Verbund der T-MEC-Staaten als ein integrierter nordamerikanischer Wirtschaftsraum mitzudenken und Mexiko insbesondere aus deutscher und europäischer Perspektive als fester(er) Bestandteil einer neuen Dimension der transatlantischen Partnerschaft zu erlernen und wertzuschätzen.
Nicht zuletzt sollte die Perspektive der Implementierung des modernisierten EU-Mexiko-Abkommens Deutschland die Möglichkeit bieten, die eigene internationale Rolle stärker in Mexiko zu definieren und sich als Partner in der Umsetzung von Strukturen und Mechanismen zu profilieren, die eine stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft fördern. Der Privatsektor spielt hierbei insbesondere im Bereich der Umwelt- und Klimapolitik sowie in Fragen der Energieversorgung auf subnationaler Ebene eine wichtige Rolle und sollte unbedingt stärker gefördert werden.
Hans-Hartwig Blomeier leitet das KAS-Auslandsbüro Mexiko.
Laura Philipps ist Trainee im KAS-Auslandsbüro Mexiko.
Aktualisiert am: 13.05.2022
02 — Auslandsbüro
Kontakt:
Auslandsbüro Mexiko
Río Guadiana No. 3, Col. Cuauhtémoc
C.P. 06500 Ciudad de México
- E-Mail: kasmex@kas.de
- Telefon: +52 55 5566 4599 oder +52 55 5566 4511