PARTNER-ATLAS

MAROKKO

Als Partner für die Regulierung globaler Migrationsströme

01 — Die Leitfragen zum Partner-Atlas

RELEVANZ: Welche Relevanz hat Marokko für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Regulierung globaler Migrationsströme" zu verwirklichen?

Marokko hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Partner Deutschlands in Migrationsfragen entwickelt. Das Königreich hat zum einen eine besondere Rolle innerhalb der Afrikanischen Union (AU) und der internationalen Gemeinschaft übernommen, zum anderen ist es selbst eines der Länder, in der Migration in unterschiedlicher Art und Weise stattfindet. Im Februar 2019 präsentierte Marokko bei der AU eine neue Migrationspolitik für Afrika und stellte die Perspektive der Entwicklung durch Migration in den Vordergrund. Die neue Politik legt besonderen Wert darauf, dass Migration kein Sicherheitsproblem ist, sondern in erster Linie Fluchtursachen zu bekämpfen sind. 

Marokko ist von verschiedenen Formen der Migration selbst betroffen. Das westliche Mittelmeer ist eine der Hauptflüchtlingsrouten von Afrika nach Europa. Die EU-Grenzsicherungsbehörde Frontex registrierte zwischen Aug. 2021 und Jan. 2022 10.871 Übertritte auf der sogenannten westlichen Mittelmeeroute und 17.944 aus Westafrika auf die Kanaren. Die Flüchtlinge stammten vor allem aus Subsahara-Afrika, Syrien, Marokko und Algerien. Neben dem Seeweg zum spanischen Festland und zu den Kanarischen Inseln berichten die Medien vor allem über gefährliche Stürmungen der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Die beiden Städte liegen an der marokkanischen Küste und verfügen seit den 1990er Jahren über massive Grenzanlagen und kooperieren mit den marokkanischen Behörden.

BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Marokkos, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?

Aufgrund der geografischen Nähe zum europäischen Festland ist Marokko einer der wichtigsten Partner der EU-Nachbarschaftspolitik. Die Partnerschaftsbeziehung, welche auf das 2000 beschlossene Assoziierungsabkommen beruht, beinhaltet vor allem Unterstützung in den Bereichen soziale Sicherung, Demokratieentwicklung, Zugang zum Arbeitsmarkt und nachhaltiges Wirtschaftswachstum.

Innerhalb der marokkanischen Gesellschaft ist das Thema Migration von großem Interesse. Marokko ist seit Jahrhunderten Herkunfts-, Transit- und Ankunftsland und hat damit eine wichtige Brückenfunktion in der afrikanischen, arabischen und europäischen Welt. Seit der Unabhängigkeit 1956 wanderten viele Marokkaner nach Europa aus. Heutzutage leben circa 5 Millionen Marokkaner im Ausland, davon 76.000 in Deutschland. Laut Gesetz behalten Marokkaner auch bei dauerhaftem Aufenthalt im Ausland ihre Staatsangehörigkeit; die Bindungen zum Heimatland sind oft besonders stark. Ungefähr ein Drittel der Touristen, die jährlich nach Marokko kommen, stammen selbst aus dem Land. Rücküberweisungen und Investitionen der Auslandsmarokkaner machen diese Gruppe zu einflussreichen Akteuren.

Vor dem Hintergrund der engen Beziehungen zu Europa und der wichtigen Rolle, die Migration für Marokko spielt, ist das Land in diesem Politikfeld bereit, mit internationalen Partnern zusammenzuarbeiten. Dabei sind aber bestimmte Grenzen der Kooperationsbereitschaft zu konstatieren (Rückführungsfrage, Auffangzentren etc.).

STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Marokko aktuell in diesem Bereich?

Mit der Einführung des Schengener Abkommens sowie der Visumspflicht (1991) hat sich die Situation maßgeblich gewandelt. Für die Einreise ins benachbarte Europa ist nun ein Visum notwendig – oder in Einzelfällen begibt man sich auf den illegalen Weg der Einreise. Die Tatsache, dass viele Marokkaner selbst von der Migration betroffen sind, beeinflusst ihre Einstellung zu dem Thema sehr. Mehrheitlich kommen Migranten aus den Ländern Subsahara-Afrikas, Syrien, Irak oder dem Nahen Osten in Marokko an. Ziel ist die Weiterreise nach Europa. Vor allem aufgrund eines verschärften Sicherheitsgesetzes von 2003, welches irreguläre Migration und Schmuggel unterbinden sollte, war die Situation für diese Menschen schwierig. Für die meisten Migranten gab es keinen Zugang zu einer Aufenthaltsgenehmigung, legaler Arbeit oder sozialer Unterstützung.

Diese Entwicklung wurde auch kritisch in Deutschland gesehen. Auf Druck der Zivilgesellschaft und Vereinigungen von Migranten untersuchte die Nationale Menschenrechtskommission diese Situation. Der Bericht führte 2013 zu einer maßgeblichen Änderung des Asylrechts. Die Regierung beschloss vier Schritte, um die Situation zu verbessern: eine Regularisierung der Migranten, die verbesserte Anerkennung von Asylsuchenden, eine weitreichende Integrationspolitik und den Einbezug der Zivilgesellschaft. Bereits 2014 begannen die ersten Maßnahmen. Anerkannte Flüchtlinge können nun nach Nachweis eines Härtefalls oder einer Arbeitsstelle einen befristeten Aufenthalt in Marokko erhalten. Da sich ein nationales Asylsystem im Aufbau befindet, wird das Verfahren zur Anerkennung von Flüchtlingen durch UNHCR übernommen.

POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Marokko in diesem Bereich zu intensivieren?

Deutschland unterstützt diesen Prozess und konnte in den vergangenen Jahren seine Beziehungen mit dem Königreich ausbauen. Höhepunkt der Kooperation war die gemeinsame Präsidentschaft des Globalen Forums für Migration und Entwicklung 2018. Bei diesem Forum wurden Themen wie die gerechte Integration auf dem Arbeitsmarkt für Migranten und anerkannte Asylsuchende sowie die Migrationsursachen besprochen. Das Forum trug im Wesentlichen zur Unterzeichnung des Globalen Pakts der VN für eine sichere, geordnete und reguläre Migration (Dezember 2018 in Marrakesch) bei. Dieser Migrationspakt der VN verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, die Situation von potenziellen Migranten in deren Herkunftsland so zu gestalten, dass diese möglicherweise vor Ort bleiben. Des Weiteren sollen die Menschenrechte der Migranten in den entsprechenden Transit- und Ankunftsländern stärker geschützt werden.

Insbesondere die Rolle Marokkos in den Debatten zur Migration innerhalb der AU und Marokkos Engagement in Afrika birgt großes Potenzial für eine Partnerschaft zwischen Deutschland und Marokko. Marokko hat seit vielen Jahren Erfahrungen mit den unterschiedlichen Formen der Migration – und teilweise erfolgreiche Strategien entwickeln können. Insbesondere die gestärkten Beziehungen zu den Ländern Westafrikas sind auch im Interesse Deutschlands. Zumal die sicherheitspolitische Lage in der Sahelzone und die daraus folgende Migrationsbewegung von zentraler Bedeutung für beide Länder sind.

POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?

Das Spannungsfeld in Marokko zwischen Innen- und Außenpolitik sollte auch bei strittigen Aspekten eine Rolle spielen. In einigen Feldern funktioniert die Zusammenarbeit, bei kritischen Fragen stößt die deutsche Außenpolitik an ihre Grenzen. In 2021 führte eine diplomatische Krise zwischen beiden Ländern die Kooperation zum Erliegen. Auf EU-Ebene gibt es keine Einigkeit hinsichtlich gemeinsamer Asylverfahren. Eine Vielzahl bilateraler Abkommen verkompliziert den Sachverhalt. So hat Spanien hinsichtlich der Grenzsicherung eine Reihe von Abkommen mit Marokko getroffen, bei denen es auch um die Lieferung von Waffen geht. Eine Entwicklung, die in anderen europäischen Staaten kritisch gesehen wird. 

Die Analyse der marokkanischen Politik ist aufgrund der komplizierten Akteursstruktur schwierig, sollte aber in Betracht gezogen werden. Neben dem in Sicherheitsfragen dominierenden Innenministerium gibt es eine Reihe von gesellschaftlichen Prozessen, die eine humane Entwicklung im Land forcieren. Der Einsatz der Zivilgesellschaft für die Rechte von Migranten in Marokko hat dies gezeigt. Das Engagement Marokkos auf der internationalen Ebene wäre ein weiterer wichtiger Anknüpfungspunkt; gerade die Ergebnisse des Global Forums und des Migrationspakts bieten einen Handlungsrahmen. Insbesondere die Ansprüche, dass in den Ländern vor Ort Bedingungen geschaffen werden sollen, die Alternativen zu Migration aufzeigen, sind nur in Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten zu schaffen. Die Corona-Krise seit März 2020 zeigt, dass das marokkanische Gesundheits- und Sozialsystem noch unzureichend ausgebaut ist. Gerade die in Marokko lebenden Migranten waren vom Ausfall der sozialen Hilfen und dem Wegfall informeller Jobs betroffen. 

Autor: Steffen Krüger

Aktualisiert am: 08.05.2022

MAROKKO

  • Population: 36.930.188
  • Capital: Rabat
  • Interesse: Die Regulierung globaler Migrationsströme
  • Region: Naher Osten und Nordafrika

02 — Auslandsbüro

Kontakt:

Konrad-Adenauer-Stiftung
Auslandsbüro Marokko
N. 24 Angle Av. Abdelkrim Benjelloun et Rue Mly. Yaacoub B.P. 559 Hassan-Rabat
10010 Rabat

04 — Die Region

Naher Osten und Nordafrika

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KATAR

Als zweitkleinstes Land der arabischen Golfregion (und einem Anteil von weniger als 15 Prozent katarischer Staatsbürgerinnen und -bürger an der Gesamtbevölkerung) findet sich Katar in einer Nachbarschaft wieder, in der die Furcht vor hegemonialen Ambitionen größerer Staaten sowie die Erinnerung an die Blockade durch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten von 2017 bis 2021 fortwirkt.

  • Population: 2.982.124
  • Capital: Doha
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MAROKKO

Marokko hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Partner Deutschlands in Migrationsfragen entwickelt. Das Königreich hat zum einen eine besondere Rolle innerhalb der Afrikanischen Union (AU) und der internationalen Gemeinschaft übernommen, zum anderen ist es selbst eines der Länder, in der Migration in unterschiedlicher Art und Weise stattfindet. Im Februar 2019 präsentierte Marokko bei der AU eine neue Migrationspolitik für Afrika und stellte die Perspektive der Entwicklung durch Migration in den Vordergrund. Die neue Politik legt besonderen Wert darauf, dass Migration kein Sicherheitsproblem ist, sondern in erster Linie Fluchtursachen zu bekämpfen sind. 

  • Population: 36.930.188
  • Capital: Rabat
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LIBYEN

Libyen ist zwar das viertgrößte Land auf dem afrikanischen Kontinent, liegt in direkter Nachbarschaft zu Europa und ist reich an Bodenschätzen, spielte aber abseits der üppigen Erdölimporte Deutschlands bislang als deutscher Handelspartner eine eher untergeordnete Rolle. Dies ist verständlich. Die Machtkämpfe verschiedener Fraktionen, die das Land nach dem Sturz Muammar Al-Gaddafis 2011 ins Chaos stürzten und in verschiedenen Bürgerkriegen mündeten, zerstörten nahezu alle Wirtschaftszweige im Land.

  • Population: 7.056.971
  • Capital: Tripolis
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JORDANIEN

Jordanien gilt spätestens seit dem „Arabischen Frühling“, der viele Länder der Region in ihren Grundfesten erschütterte, als Stabilitätsanker. Für die deutsche Außenpolitik ist die Aufrechterhaltung dieser Stabilität von zentralem Interesse.

  • Population: 10.402.753
  • Capital: Amman
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ISRAEL

Deutschland und Israel pflegen eine intensive Partnerschaft, die sowohl auf gemeinsamen Interessen als auch auf geteilten Werten beruht. Den Ausgangspunkt der besonderen Beziehungen bilden die Shoa und die davon abgeleitete historische Verantwortung. Dass zwei Staatsmänner, Konrad Adenauer und David Ben-Gurion, den Grundstein dafür legten, bezeichnete der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert in einer Rede vor der Knesset im Jahr 2015 als „doppelten Glücksfall der Geschichte“.

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SAUDI-ARABIEN

Die Relevanz Saudi-Arabiens für Deutschlands Wirtschaftsinteressen ergibt sich aus der grundsätzlichen Bedeutung des Landes für Stabilität und Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten, den Bestrebungen zur Modernisierung und Diversifizierung seiner Wirtschaft sowie seinem Ölreichtum.

  • Population: 34.813.871
  • Capital: Riyad
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IRAK

Der Irak besitzt weltweit die fünftgrößten Erdöl- und die zwölftgrößten Erdgasreserven. Das Land ist Gründungsmitglied der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und dort in den letzten Jahren zum zweitgrößten Produzenten aufgestiegen. Für die kommenden Jahre erwägt die irakische Regierung, den Öl- und Gassektor weiter auszubauen und die Förderkapazitäten damit noch stärker zu erhöhen, obwohl Experten sowie Regierungsmitglieder eine Diversifizierung des irakischen Wirtschafts- und Energiesektors fordern. Der Irak spielt eine wichtige Rolle für die Stabilität der globalen Energiemärkte, die auch für Deutschland als erfolgreiche Technologie- und Exportnation von hoher Bedeutung ist.

  • Population: 40.263.275
  • Capital: Bagdad
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ALGERIEN

Als flächenmäßig größtes Land Afrikas, Scharnierstaat zwischen der MENA-Region, sowie der Sahelzone und unmittelbarer Nachbar besitzt Algerien eine natürliche Relevanz für Deutschland und Europa. Die Armee besitzt als Institution einen hohen Stellenwert und die Verteidigungsausgaben liegen stabil bei 6% des BIP.

  • Population: 43.886.707
  • Capital: Alger
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TUNESIEN

In vielerlei Hinsicht nimmt Tunesien in der MENA-Region eine Sonderrolle ein. Als direkter Nachbar Europas haben Handel, Gastarbeiter und enge politische Beziehungen Tunesiens Gesellschaft stark europäisch geprägt. Säkularisierung und Modernisierung haben Tunesiens Politik nach der Unabhängigkeit bestimmt und entfalten ihre Wirkung bis heute. Tunesien schlug als einziges Land in der arabischen Welt nach den Protesten von 2011 mittelfristig einen Weg in Richtung Demokratisierung ein. Die Überwindung des autoritären Ben Ali-Regimes, der Übergang in die Transformationsphase sowie die Errungenschaften der Revolution haben eine Sonderstellung Tunesiens begünstigt: Die tunesische Verfassung aus dem Jahr 2014, die den zivilen Charakter des Staates definiert, gilt trotz einiger Defizite als eine der liberalsten in der Region.

  • Population: 11.824.128
  • Capital: Tunis
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MAROKKO

Das Königreich Marokko ist aufgrund seiner geografischen Lage am Atlantik, der Mittelmeerküste und dem Nordrand der Sahara für den Klimawandel und seine negativen Folgen äußerst anfällig. Es hatte das Thema früh und ambitioniert auf die eigene Agenda gesetzt. 2016 war Marrakesch Gastgeber der 22. Internationalen Klimakonferenz (COP 22). Heute zeigt sich Marokko in den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sogar als regional führend.

  • Population: 36.930.188
  • Capital: Rabat
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