PARTNER-ATLAS
MAROKKO
Als Partner für die Sicherung wichtiger Ressourcen und für den Schutz des Klimas
01 — Die Leitfragen zum Partner-Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Marokko für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Sicherung wichtiger Ressourcen und der Schutz des Klimas" zu verwirklichen?
Das Königreich Marokko ist aufgrund seiner geografischen Lage am Atlantik, der Mittelmeerküste und dem Nordrand der Sahara für den Klimawandel und seine negativen Folgen äußerst anfällig. Es hatte das Thema früh und ambitioniert auf die eigene Agenda gesetzt. 2016 war Marrakesch Gastgeber der 22. Internationalen Klimakonferenz (COP 22). Heute zeigt sich Marokko in den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sogar als regional führend. Seit Jahren belegt es einen Platz unter den Top Ten im Climate Change Performance Index (CCPI) und gilt im Climate Action Tracker 2021 als einziges Land der MENA-Region, welches mit fortgesetzten Maßnahmen das Ziel, die Erderwärmung bis 2100 unter 1,5 Grad Celsius zu halten, würde. Dergestalt verfügt Marokko über bemerkenswertes Prestige. Es kann sich international als Ansprech- und Kooperationspartner anbieten, Vorbild für andere sein und gemeinsam mit Deutschland für kollektive Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele eintreten.
Zugleich ist das Land auf Know-how von außen und internationale Zusammenarbeit angewiesen, um dem Klimawandel zu begegnen. Europa gegenüber zeigt sich Marokko als Partner mit Potenzial, nicht zuletzt weil bereits eine gewisse Vertrautheit miteinander besteht: Über Gibraltar sind die Stromnetze beider Seiten miteinander verbunden und Marokko ist seit langem Partner von Plänen, Strom aus erneuerbaren Quellen nach Europa zu . Ferner gelangt seit 1996 über die Maghreb-Europe Gas Pipeline (MEG) und über marokkanisches Territorium algerisches Gas auf die Iberische Halbinsel – ein Beitrag für die Energieversorgung Europas. 2021 wurde die Pipeline allerdings zum Spielball der bilateralen Spannungen zwischen Algerien und Marokko um den Westsaharakonflikt, als Algier den Liefervertrag mit Rabat nicht mehr verlängerte. Eine Wiederaufnahme nach Beilegung des Konflikts oder eine alternative Nutzung der Pipeline für noch zu erschließendes marokkanisches Gas oder gar Wasserstoff sind denkbar.
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Marokkos, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Zur Umsetzung seiner energie- und klimapolitischen Ziele und seines wirtschaftspolitischen, sogenannten Neuen Entwicklungsmodells ist Marokko auf internationale Unterstützung angewiesen. Das Land belegt seine energiewirtschaftlichen Fortschritte etwa dadurch, schon jetzt einen Anteil von 42 Prozent Erneuerbarer Energien am Strommix zu erreichen, der bis 2030 auf über 60 Prozent könnte. Eindrucksvoll auch das Kraftwerk Noor in Ouarzazate, das größte Solarthermiekraftwerk Afrikas, an dessen Verwirklichung sich auch deutsche Firmen und die KfW beteiligten. Deutschland erweist sich schon lange als enger Wirtschaftspartner des Königreichs, folgt hinsichtlich Handelsvolumina allerdings nach Frankreich, Spanien, den USA oder auch China.
Trotz einiger gemeinsamer Projekte vor allem in den Bereichen Umwelt, Klima, Berufsbildung und Migration sind die bilateralen Beziehungen nicht vollkommen spannungsfrei, insbesondere aufgrund der erklärten marokkanischen Souveränitätsansprüche am Gebiet der von Marokko kontrollierten Westsahara. Deutschland vertritt die Haltung, dass eine Lösung des Westsaharakonflikts nur im Verhandlungsrahmen der Vereinten Nationen gefunden werden könne. 2021 brach Rabat auch daher vorübergehend die diplomatischen Beziehungen mit Berlin ab. Dies hatte auch negative Folgen für die klima-, energie- und umweltpolitische Zusammenarbeit, wertvolles Vertrauen ging verloren. Die Kooperation läuft seit der bilateralen Wiederannäherung im Frühjahr 2022 erst langsam an, nachdem Berlin bereit war, auch einen 2017 von Marokko vorgelegten Autonomieplan für die umstrittene Region als mögliche Konfliktlösung anzuerkennen. Durch die diplomatische Eskalation wurde offensichtlich, dass Marokko seinen politischen Interessen bezüglich der Westsahara, in der reiche Rohstoffvorkommen vermutet werden und vor dessen Küste große Fischgründe liegen, größte Priorität einräumt.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Marokko aktuell in diesem Bereich?
Marokko ist bislang Deutschlands zweitgrößter Handelspartner in Afrika, wobei vor allem die KFZ-Industrie und die Produktion von Düngemitteln und chemischen Erzeugnissen dominieren. Auch ist es ein beliebtes Zielland für Tourismus. Umwelt- und Klimaschutz ist im deutsch-marokkanischen Verhältnis ein wichtiges Thema, das Berlin bislang vor allem über entwicklungspolitische Maßnahmen adressiert.
So unterstützt Deutschland Marokko dabei, Anlagen für erneuerbare Energien auf- und auszubauen, den Markt dafür zu gestalten, die lokale Wertschöpfung zu fördern und Fachwissen zu transferieren. 2012 vereinbarten beide Seiten die Errichtung einer Energiepartnerschaft mit Schwerpunkten auf Technologietransfer, privatwirtschaftliche Investitionen sowie Regulierung, Finanzierung und Forschung. Auf eine gemeinsame Absichtserklärung für eine nachhaltige Energiezukunft bis 2050 folgte 2020 eine weitere Deklaration zur Entwicklung des Wasserstoffsektors, zur Exploration von Speichertechnologien und zum Aufbau einer Produktionsanlage für grünen Wasserstoff.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Marokko in diesem Bereich zu intensivieren?
Die Kooperation zwischen Marokko und Deutschland soll Rabat dabei helfen, seine nationalen Klimaziele zu erreichen, Potenziale der Kooperation zum gemeinsamen Schutz von Ressourcen, Klima und Energieversorgung zu erschließen und Gewinne aus dieser Zusammenarbeit abzuschöpfen – von Investmentrenditen über Technologie- und Know-how-Transfers bis zur Sicherung kollektiver Güter, beispielsweise sicherer Energieversorgung. Marokko bietet sich als Partner gerade deshalb an, weil es gut angebunden in der direkten europäischen Nachbarschaft liegt, über favorable natürliche und infrastrukturelle Gegebenheiten verfügt für Projekte und Investitionen, zum Beispiel in der Solar- oder Windenergieerzeugung, und Kooperationen auf bereits „bestellten Boden“ fallen. Umgekehrt wird Deutschland als verlässlicher Wirtschafts- und Innovationspartner geschätzt.
Auch stehen Marokko und Deutschland international auf der Seite der Befürworter multilateraler Ansätze bei der Bekämpfung des Klimawandels. Allerdings sieht sich Marokko als aufholendes Entwicklungsland, das internationale Unterstützungsleistungen für seinen Kurs erwartet und diese auch benötigt. Auch fördert es trotz aller „grüner“ Agenda die Erschließung und Nutzung von Erdgas, auch als Ausfuhrprodukt. Gleichwohl besitzt das Land große Potenziale bei der weiteren Erschließung und Nutzung erneuerbarer Energiequellen sowie im Bereich Wasserstoff. Hierbei steht Marokko zwar noch am Beginn des Entwicklungsweges und mit Deutschland als potenziellem Exportland für zukünftigen marokkanischen Wasserstoff bestehen bereits erste . Die Zusammenarbeit mit Marokko kann Deutschland demnach dabei helfen, seine eigene Wirtschaft weiter zu dekarbonisieren.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Das Beispiel Marokko zeigt, wie wichtig es ist, Vorhaben im Bereich Klima-, Energie- und Umweltpolitik außenpolitisch ganzheitlich zu betrachten. Deutschland begann die Kooperation entwicklungspolitisch, gab auf nationaler und lokaler Ebene Stimuli für Forschung und Entwicklung, startete Pilotprojekte und half dabei, für förderliche Rahmenbedingungen zu sorgen. Dem müssen nun wirtschafts- und handelspolitische, außen- und sicherheitspolitische Konzepte und Maßnahmen folgen, die strategisch – im Sinn einer echten Klimaaußenpolitik – umgesetzt werden sollten. Bislang erweist sich die deutsche Klimaaußenpolitik gegenüber und mit Marokko noch als Stückwerk verschiedener Ressorts.
Berlin hat dabei jüngst seine Beweglichkeit in Streitfragen gezeigt, indem es Marokkos Vorschlag zu einer Autonomielösung in der Westsahara anerkannte und Gesprächskontakte auch und gerade auf höchster politischer Ebene wieder pflegt. Dabei sollte Deutschland den Problemen Marokkos auf dessen Weg, die selbstgesteckten Ziele im Bereich Klimaschutz zu erreichen, mit proaktiven und passgenauen Kooperationsangeboten begegnen. Das gilt für den Technologietransfer und wissenschaftlichen Austausch ebenso wie für Anreize bei rechtlichen Reformen, Finanzierung und der sozialen Dimension des Wandels. Dabei sind der europäischen (Stichwort: European Green Deal) und der regionalpolitischen Dimension der Beziehungen (Stichwort: Westsahara) Beachtung zu schenken. Ebenso gilt es, nicht den Eindruck zu vermitteln, Marokko hätte – etwa bei der Wasserstoffproduktion – deutschen oder europäischen Interessen zu dienen. Vielmehr geht es um ein aufrichtiges gemeinsames Interesse für Klimaschutz und Nachhaltigkeit sowie um die Schaffung von wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Win-win-Situationen.
Ludwig Schulz ist Referent für Naher Osten und Nordafrika in der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit.
02 — Auslandsbüro
Kontakt:
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