PARTNER-ATLAS

LIBYEN

Als Partner für die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation

01 — Die Leitfragen zum Partner Atlas

RELEVANZ: Welche Relevanz hat Libyen für Deutschland, wenn es darum geht, die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation zu fördern?

Libyen ist zwar das viertgrößte Land auf dem afrikanischen Kontinent, liegt in direkter Nachbarschaft zu Europa und ist reich an Bodenschätzen, spielte aber abseits der üppigen Erdölimporte Deutschlands bislang als deutscher Handelspartner eine eher untergeordnete Rolle. Dies ist verständlich. Die Machtkämpfe verschiedener Fraktionen, die das Land nach dem Sturz Muammar Al-Gaddafis 2011 ins Chaos stürzten und in verschiedenen Bürgerkriegen mündeten, zerstörten nahezu alle Wirtschaftszweige im Land. Die unsichere Lage und fragile Staatlichkeit vor Ort sorgen bislang auch dafür, dass sich nur begrenzt ausländische Investoren fanden, die das Risiko eingehen wollten, in Libyen zu investieren oder Handel mit libyschen Firmen zu treiben. Trotz bestehender Herausforderungen von fragiler Staatlichkeit bietet Libyen als direkter Nachbar Europas jedoch Potenziale und Möglichkeiten, die es langfristig auch abseits des Erdölhandels zu einem wichtigen Handelspartner machen können.

BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Libyens, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?

Deutschland wird, wie in der gesamten arabischen Welt, auch in Libyen hoch angesehen. Insbesondere Deutschlands Rolle im Berliner Prozess wurde von allen Konfliktparteien als positiv bewertet und hat seine Position in Libyen nachhaltig gestärkt. Darüber hinaus herrscht auch in Libyen sowohl die Bereitschaft als auch das Interesse an vertieften Beziehungen zu Deutschland, gerade im Handelsbereich.

Klar ist jedoch auch, dass das Land derzeit global nach Partnern sucht, die bereit sind, in den Wiederaufbau zu investieren, libysche Firmen mit Fachwissen zu unterstützen und sich dahingehend zu engen Handelspartnern zu entwickeln. Vorauszusetzen ist dennoch: Bevor Handel betrieben werden kann, muss vor allem in den Wiederaufbau der libyschen Wirtschaft investiert werden. Es sollte daher nicht irritieren, dass Libyen auch mit systemischen Konkurrenten Europas wie Russland oder China Handel treibt. Derzeit dominieren Ägypten und die Türkei den Handel mit Libyen, wobei vor allem die Türkei mit ambitionierten Infrastrukturprojekten eine Nische besetzt, die auch für Deutschland von Interesse sein kann. 

Um langfristig die Handelsbeziehungen zu Libyen zu vertiefen, bedarf es eines bilateralen Handelsabkommens zwischen der EU und Libyen, um den Import von Gütern aus der EU für libysche Unternehmen zu erleichtern, und einer Revision des unklaren Embargo- und Sanktionsregimes, welches derzeit europäische Investitionen, vor allem aus dem Mittelstand, abschreckt. Sollten diese Schranken abgebaut werden, wird die gute Reputation Deutschlands als neutraler, attraktiver und vertrauenswürdiger Partner dazu führen, dass gemeinsame Handelsprojekte die beiden Staaten noch enger miteinander verbinden.

STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Libyen aktuell in diesem Bereich?Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Jordanien aktuell in diesem Bereich?

Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für Libyen 2022 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 5,3 Prozent, nachdem es bereits 2021 signifikant anstieg. Abhängig von der politischen Stabilität des Landes könnte davon auch Deutschland profitieren. In den vergangenen Jahren nahm Libyen bei den Importen von Waren im Außenhandel nach Deutschland Rang 66 und im Exportbereich Deutschlands Rang 87 von 100 aufgelisteten Ländern ein. 97,4 Prozent der Einfuhren aus Libyen sind Erdöl, 2,4 Prozent machten 2020 Petrochemie-Einfuhren aus. Bei den Ausfuhren nach Libyen handelte es sich insbesondere um Maschinen (23 Prozent) und Nahrungsmittel (15,3 Prozent). Im ersten Halbjahr 2021 waren die Einfuhren aus Libyen fünfmal höher als die Ausfuhren und betrugen 1,2 Milliarden Euro.

Die derzeitige Handelsbilanz ist daher ausbaufähig, insbesondere da andere EU-Mitgliedsländer deutlich stärker vom Handel mit Libyen profitieren. Italien, das traditionell enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Libyen unterhält, zählte in den vergangenen Jahren zu den wichtigsten Abnehmerländern von libyschen Gütern. Auch Spanien und Frankreich lagen vor Deutschland.

Noch spielt Libyen keine große Rolle in der chinesischen Mittelmeer- und Afrikapolitik. Dies sollte durch klar europäisch dominierte Handelsbeziehungen auch so bleiben.

POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Libyen in diesem Bereich zu intensivieren?

Libyen verfügt aufgrund seiner strategischen Position als Bindeglied zwischen Europa und Subsahara-Afrika, seiner jungen Bevölkerung und Beschäftigungsmöglichkeiten von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern aus den Nachbarländern über Potenziale, die es derzeit noch nicht ausschöpfen kann. Das Momentum der deutsch-libyschen Beziehungen aufgrund der hervorgehobenen Rolle der Bundesrepublik im Berliner Prozess kann genutzt werden, um Wettbewerbsvorteile im Energiesektor, dem Gesundheitswesen und der Baubranche zu erhalten. 

Derzeit finanziert Libyen seinen Staatshaushalt fast ausschließlich durch den Ölhandel. Mit der Energiewende wird sich auch Libyen diversifizieren müssen. Energietechnisch bietet das Land ebenso wie andere Flächenstaaten der Region das Potenzial, Wasserstoff und Solarenergie zu produzieren. Hier ist Deutschland ein geeigneter Partner, der Expertise und Infrastruktur zur Verfügung stellen kann und als Abnehmer der erneuerbaren Energie Interesse zeigen wird. 

Neben der zerstörten medizinischen Infrastruktur benötigt Libyen einen personellen Wiederaufbau des Gesundheitssektors. Hier sollte Deutschland proaktiv und frühzeitig seine Hilfe anbieten. Es genießt sowohl auf der technischen als auch auf der personellen Seite einen exzellenten Ruf in der Region und könnte mit attraktiven Ausbildungsmodellen auch den eigenen Fachkräftemangel bekämpfen, ohne einen Braindrain zu verursachen. 

Das offensichtlichste Potenzial ist die Bau- und Infrastrukturbranche. Hier konkurriert Deutschland mit anderen Staaten, die sich als Gestaltungsmächte in Libyen sehen. Daher wird es politisches Geschick und eine intelligente Vermarktung des Labels Engineered in Germany benötigen, um beispielsweise Straßenbauprojekte oder die kommerzielle Modernisierung der internationalen Flughäfen von Mitiga, Tripolis oder Benghazi übernehmen zu können. 

Ein wirtschaftlich stabiles Libyen bringt zweifelsohne auch das Potenzial mit, positiv in die Nachbarstaaten auszustrahlen. Vor 2011 beherbergte es mehr als drei Millionen Gastarbeiterinnen und -arbeiter aus den Nachbarländern Ägypten und Tunesien und ist als Zielland auch für Arbeitssuchende aus dem Sahel von Interesse. Darüber hinaus würde sich Libyen bei einer dauerhaften Stabilisierung auch für andere Branchen, wie Agrarbranche oder Textilindustrie, anbieten.

POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?

Die größten Hemmnisse für intensivierte Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Libyen stellen die politische Instabilität und die fragile Gesamtlage in dem nordafrikanischen Land dar. Politische, wirtschaftliche und institutionelle Fragmentierungen können nur innerlibysch adressiert werden. Die zahlreichen Potenziale des ressourcenreichen Landes mit einer jungen Bevölkerung und seiner strategischen Lage als Mittelmeeranrainer in Europas direkter südlicher Nachbarschaft mit engen Kontakten nach Subsahara-Afrika und in die arabische Welt könnten auch die deutsch-libyschen Wirtschaftsbeziehungen bereichern. Dafür wäre es jedoch notwendig, durch folgende Schritte zu mehr politischer Stabilität und einer weniger fragilen Gesamtlage beizutragen und somit für bessere Rahmenbedingungen für Handel und Investitionen zu sorgen:

  • Fortsetzung des politischen Dialogs im Geiste des von der damaligen Bundeskanzlerin Merkel mitinitiierten Berliner Libyen-Prozesses und die zeitnahe Abhaltung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zur Wiederherstellung politischer Legitimität von Handlungsakteuren
  • Abzug aller ausländischen Söldner und eine von den Vereinten Nationen und/oder der EU begleitete Sicherheitssektorreform 
  • Gewährleistung von Planungssicherheit für Investoren durch die Stärkung rechtsstaatlicher Prinzipien und die Funktionalität von Verwaltung und Justiz
  • Stärkung ortsansässiger Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner (etwa der deutschen Botschaft) zur Anbahnung und Begleitung von Wirtschaftskontakten für Unternehmen aus Deutschland

Lukas Kupfernagel ist Referent für Naher Osten und Nordafrika in der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit.

Dr. Thomas Volk leitet das KAS-Regionalprogramm Politischer Dialog und Regionale Integration im Südlichen Mittelmeerraum in Tunis.

LIBYEN

  • Population: 7.056.971
  • Capital: Tripolis
  • Interesse: Die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation
  • Region: Naher Osten und Nordafrika

02 — Auslandsbüro

Kontakt:

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Regionalprogramm Politischer Dialog und regionale Integration im Südlichen Mittelmeer
Le Prestige Business Center, No. F.0.1, Rue du lac Windermere, Les Berges du Lac
1053 Tunis
Tunesien

03 — Die Region

Naher Osten und Nordafrika

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KATAR

Als zweitkleinstes Land der arabischen Golfregion (und einem Anteil von weniger als 15 Prozent katarischer Staatsbürgerinnen und -bürger an der Gesamtbevölkerung) findet sich Katar in einer Nachbarschaft wieder, in der die Furcht vor hegemonialen Ambitionen größerer Staaten sowie die Erinnerung an die Blockade durch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten von 2017 bis 2021 fortwirkt.

  • Population: 2.982.124
  • Capital: Doha
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MAROKKO

Marokko hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Partner Deutschlands in Migrationsfragen entwickelt. Das Königreich hat zum einen eine besondere Rolle innerhalb der Afrikanischen Union (AU) und der internationalen Gemeinschaft übernommen, zum anderen ist es selbst eines der Länder, in der Migration in unterschiedlicher Art und Weise stattfindet. Im Februar 2019 präsentierte Marokko bei der AU eine neue Migrationspolitik für Afrika und stellte die Perspektive der Entwicklung durch Migration in den Vordergrund. Die neue Politik legt besonderen Wert darauf, dass Migration kein Sicherheitsproblem ist, sondern in erster Linie Fluchtursachen zu bekämpfen sind. 

  • Population: 36.930.188
  • Capital: Rabat
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LIBYEN

Libyen ist zwar das viertgrößte Land auf dem afrikanischen Kontinent, liegt in direkter Nachbarschaft zu Europa und ist reich an Bodenschätzen, spielte aber abseits der üppigen Erdölimporte Deutschlands bislang als deutscher Handelspartner eine eher untergeordnete Rolle. Dies ist verständlich. Die Machtkämpfe verschiedener Fraktionen, die das Land nach dem Sturz Muammar Al-Gaddafis 2011 ins Chaos stürzten und in verschiedenen Bürgerkriegen mündeten, zerstörten nahezu alle Wirtschaftszweige im Land.

  • Population: 7.056.971
  • Capital: Tripolis
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JORDANIEN

Jordanien gilt spätestens seit dem „Arabischen Frühling“, der viele Länder der Region in ihren Grundfesten erschütterte, als Stabilitätsanker. Für die deutsche Außenpolitik ist die Aufrechterhaltung dieser Stabilität von zentralem Interesse.

  • Population: 10.402.753
  • Capital: Amman
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ISRAEL

Deutschland und Israel pflegen eine intensive Partnerschaft, die sowohl auf gemeinsamen Interessen als auch auf geteilten Werten beruht. Den Ausgangspunkt der besonderen Beziehungen bilden die Shoa und die davon abgeleitete historische Verantwortung. Dass zwei Staatsmänner, Konrad Adenauer und David Ben-Gurion, den Grundstein dafür legten, bezeichnete der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert in einer Rede vor der Knesset im Jahr 2015 als „doppelten Glücksfall der Geschichte“.

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SAUDI-ARABIEN

Die Relevanz Saudi-Arabiens für Deutschlands Wirtschaftsinteressen ergibt sich aus der grundsätzlichen Bedeutung des Landes für Stabilität und Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten, den Bestrebungen zur Modernisierung und Diversifizierung seiner Wirtschaft sowie seinem Ölreichtum.

  • Population: 34.813.871
  • Capital: Riyad
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IRAK

Der Irak besitzt weltweit die fünftgrößten Erdöl- und die zwölftgrößten Erdgasreserven. Das Land ist Gründungsmitglied der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und dort in den letzten Jahren zum zweitgrößten Produzenten aufgestiegen. Für die kommenden Jahre erwägt die irakische Regierung, den Öl- und Gassektor weiter auszubauen und die Förderkapazitäten damit noch stärker zu erhöhen, obwohl Experten sowie Regierungsmitglieder eine Diversifizierung des irakischen Wirtschafts- und Energiesektors fordern. Der Irak spielt eine wichtige Rolle für die Stabilität der globalen Energiemärkte, die auch für Deutschland als erfolgreiche Technologie- und Exportnation von hoher Bedeutung ist.

  • Population: 40.263.275
  • Capital: Bagdad
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ALGERIEN

Als flächenmäßig größtes Land Afrikas, Scharnierstaat zwischen der MENA-Region, sowie der Sahelzone und unmittelbarer Nachbar besitzt Algerien eine natürliche Relevanz für Deutschland und Europa. Die Armee besitzt als Institution einen hohen Stellenwert und die Verteidigungsausgaben liegen stabil bei 6% des BIP.

  • Population: 43.886.707
  • Capital: Alger
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TUNESIEN

In vielerlei Hinsicht nimmt Tunesien in der MENA-Region eine Sonderrolle ein. Als direkter Nachbar Europas haben Handel, Gastarbeiter und enge politische Beziehungen Tunesiens Gesellschaft stark europäisch geprägt. Säkularisierung und Modernisierung haben Tunesiens Politik nach der Unabhängigkeit bestimmt und entfalten ihre Wirkung bis heute. Tunesien schlug als einziges Land in der arabischen Welt nach den Protesten von 2011 mittelfristig einen Weg in Richtung Demokratisierung ein. Die Überwindung des autoritären Ben Ali-Regimes, der Übergang in die Transformationsphase sowie die Errungenschaften der Revolution haben eine Sonderstellung Tunesiens begünstigt: Die tunesische Verfassung aus dem Jahr 2014, die den zivilen Charakter des Staates definiert, gilt trotz einiger Defizite als eine der liberalsten in der Region.

  • Population: 11.824.128
  • Capital: Tunis
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MAROKKO

Das Königreich Marokko ist aufgrund seiner geografischen Lage am Atlantik, der Mittelmeerküste und dem Nordrand der Sahara für den Klimawandel und seine negativen Folgen äußerst anfällig. Es hatte das Thema früh und ambitioniert auf die eigene Agenda gesetzt. 2016 war Marrakesch Gastgeber der 22. Internationalen Klimakonferenz (COP 22). Heute zeigt sich Marokko in den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sogar als regional führend.

  • Population: 36.930.188
  • Capital: Rabat
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