PARTNER-ATLAS
KOLUMBIEN
Als Partner für die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen
01 — Die Leitfragen zum Partner-Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Kolumbien für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen" zu verwirklichen?
Kolumbien hat im Kontext der Systemkonkurrenz zwischen Russland, China und westlichen Demokratien für Deutschland und Europa als Wertepartner und regionaler Stabilitätsanker erhebliche strategische Bedeutung. Mit Blick auf Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft, Fläche und Ressourcenreichtum zählt das Land zu den wichtigsten Ländern Lateinamerikas. Als OECD-Mitglied und einziger „globaler Partner“ der NATO in Lateinamerika steht das Land fest an der Seite der Demokratien, die sich für die Stärkung des Multilateralismus und eine regelbasierte liberale Weltordnung einsetzen. Gerade im Kontext der Krise in Venezuela bildet Kolumbien einen wichtigen demokratischen Gegenpol zu den autoritären Mächten, die das Regime Maduro unterstützen und Venezuela als Einfallstor für die Ausweitung der eigenen Interessensphären in der Region betrachten. Angesichts der zunehmend geopolitischen Dimension der Venezuelakrise spielt Kolumbien als Partner und regionaler Stabilitätsanker eine wichtige Rolle. Das Land verfolgt zudem eine liberale Außenhandelspolitik und ist der EU durch ein modernes Freihandelsabkommen verbunden. Freie Handels- und sichere Seewege haben auf der außen- und sicherheitspolitischen Agenda des Landes daher hohe Priorität. Als Atlantik- und Pazifikanrainer – die kolumbianischen Hoheitsgewässer machen circa 45 Prozent des Staatsgebiets aus – ist die Lage Kolumbiens von geopolitischer Bedeutung, zumal der überwiegende Teil der Schifffahrtsrouten und des Warenverkehrs zum Panamakanal durch die kolumbianische Karibik führt. Aufgrund seiner langen internen Konfliktgeschichte verfügt Kolumbien zudem über bedeutende militärische Ressourcen und Erfahrung, die es in die Partnerschaft der NATO einbringt.
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Kolumbiens, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Die Beziehungen zwischen Kolumbien sowie der EU und Deutschland sind eng und von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Im Rahmen der VN-Generalversammlung unterzeichneten Kolumbien und die EU 2021 eine Vereinbarung über den weiteren Ausbau der Zusammenarbeit und des politischen Dialogs, unter anderem im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik. Deutschland gilt innerhalb der EU als einer der wichtigsten Partner Kolumbiens. Die Bereitschaft zu einer verstärkten Zusammenarbeit im politischen, wirtschaftlichen, akademischen, technologischen und militärischen Bereich ist bei den kolumbianischen Entscheidungsträgern daher groß, zumal Deutschland als prominenter internationaler Unterstützer des Friedensprozesses und wichtiger Kooperationspartner bei der Bewältigung der Migration aus Venezuela einen positiven Ruf genießt. Auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene (NGOs, Kirchen, politische Stiftungen, kulturelle Zusammenarbeit) bestehen enge und vielfältige Beziehungen, welche die Vertrauensbasis für eine vertiefte Zusammenarbeit stärken.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kolumbien aktuell in diesem Bereich?
Zwischen Deutschland und Kolumbien besteht bereits eine vertrauensvolle sicherheitspolitische Zusammenarbeit, die sich zum Beispiel im Bereich gemeinsamer Rüstungsprojekte, beim Austausch von Offizieren und gemeinsamen Aus- und Weiterbildungsprogrammen widerspiegelt. Die Fregatten und U-Boote der kolumbianischen Marine sind deutscher Herkunft. Bei aktuellen Rüstungsprojekten der Marine spielt der Technologietransfer aus Deutschland eine entscheidende Rolle. 2021 wurde eine offizielle Absprache zwischen dem kolumbianischen und dem deutschen Verteidigungsministerium getroffen, um die traditionelle Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich weiter zu stärken. Die Vereinbarung setzt Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau der bilateralen Kooperation in Bereichen wie militärische Aus- und Weiterbildung, friedenserhaltende Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen, Verbesserung der Interoperabilität, Rüstungstechnologie, maritime Sicherheit, Cybersicherheit, Logistik, Minenräumen, Umweltschutz. Auch mit der NATO hat Kolumbien Ende 2021 ein ambitioniertes Partnerschaftsprogramm vereinbart, um die Interoperabilität der Streitkräfte zu stärken und die Zusammenarbeit in Bereichen wie militärischer Ausbildung, Minenräumung und maritimer Sicherheit zu vertiefen. Deutschland, Kolumbien und die NATO-Partner pflegen zudem im akademischen Bereich bei sicherheits- und verteidigungspolitischen Themen einen engen Austausch. Experten sowie Verteidigungspolitiker und Militärangehörige betonen dabei stets die gemeinsamen Sicherheitsinteressen und die große Übereinstimmung bei der geopolitischen Risikoanalyse.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Kolumbien in diesem Bereich zu intensivieren?
Das Potenzial, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kolumbien weiter zu intensivieren, ist groß. Das jüngst vereinbarte Partnerschaftsprogramm mit der NATO sowie die deutsch-kolumbianische Vereinbarung auf Ebene der Verteidigungsministerien dienen dafür als Grundlage und Orientierung. Auch die Intensivierung geopolitischer Spannungen im Rahmen der Systemkonkurrenz zwischen liberalen Demokratien und autoritären Mächten, die in verschiedenen Weltregionen sichtbar wird, gibt Anlass, die sicherheitspolitische Kooperation mit Kolumbien voranzutreiben. Aufgrund seiner geostrategisch wichtigen Lage mit Zugang zu Pazifik und Atlantik, seiner militärischen Ressourcen und Erfahrung sowie der festen Verankerung in der westlichen Wertegemeinschaft ist Kolumbien ein wichtiger Partner für die Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft von EU und NATO. Da Kolumbien mit Blick auf die Umsetzung des Friedensprozesses, die Masseneinwanderung aus Venezuela sowie – infolge der Präsenz illegaler bewaffneter Gruppen, die um die Kontrolle des Drogengeschäfts und anderer illegaler Ökonomie kämpfen – die Unsicherheit und hohen Gewaltraten in weiten Teilen des Landes sehr stark mit internen Herausforderungen konfrontiert ist, bewegt sich der Fokus der öffentlichen sicherheitspolitischen Debatte in erster Linie im nationalen Kontext. Experten und Entscheidungsträger haben jedoch großes Interesse am Austausch und der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern, um sicherheitspolitische Herausforderungen gemeinsam zu analysieren und Lösungsansätze zu entwickeln.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Deutschland sollte die tragfähigen Grundlagen der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Kolumbien – insbesondere im Bereich der Seestreitkräfte – und die jüngste Rahmenvereinbarung (siehe Status quo) nutzen, um konkrete Kooperationsprojekte in den Bereichen Rüstung, Aus- und Weiterbildung sowie der strategischen Analyse neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen zu entwickeln. Insbesondere bei sicherheitspolitischen Beratungen und Foren zur transatlantischen Sicherheit sollte Kolumbien als einziger „globaler Partner“ der NATO in Lateinamerika stärker einbezogen werden. Die guten Beziehungen zwischen leitenden Akteuren im Sicherheits- und Verteidigungssektor und das über Jahre aufgebaute gegenseitige Vertrauen sollten weiter durch Delegationen und Austauschprogramme intensiv gepflegt werden. Die entwicklungspolitische Zusammenarbeit in Bereichen, die nicht unmittelbar mit sicherheits- und verteidigungspolitischen Themen zusammenhängen, sollte stärker mit dem bilateralen sicherheitspolitischen Dialog verknüpft werden. Wünschenswert wäre dazu eine stärkere länderspezifische Abstimmung zwischen dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Entwicklung sowie dem Bundesministerium der Verteidigung. Die starke Rolle Deutschlands bei der Begleitung des kolumbianischen Friedensprozesses, zum Beispiel bei der Unterstützung der Arbeit der Übergangsjustiz und der Wahrheitskommission, sollte künftig auch dazu genutzt werden, den Dialog der genannten Institutionen mit dem kolumbianischen Militär zu stärken. Eine transparente und kritisch-konstruktive Beteiligung des Militärs bei der Aufarbeitung des Konflikts und der historischen Erinnerung würde die Akzeptanz des Friedensabkommens und das Vertrauen der kolumbianischen Gesellschaft in die Streitkräfte festigen und somit auch den internationalen Dialog zur Rolle von Streitkräften in einem demokratischen und sozialen Rechtsstaat fördern. Integrität, hohe ethische Standards sowie der Schutz der Menschenrechte sollten wichtige Pfeiler des Dialogs bleiben, um neben der technisch-militärischen Kooperation auch das Wertefundament der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Kolumbien weiter zu stärken.
Stefan Reith leitet das KAS-Auslandsbüro Kolumbien.
02 — Auslandsbüro
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