PARTNER-ATLAS
KENIA
Als Partner für die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation
01 — Die Leitfragen zum Partner-Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Kenia für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation" zu verwirklichen?
Kenia ist einer der stabilsten Staaten Ostafrikas und eine international ausgerichtete Marktwirtschaft. Als größte Volkswirtschaft in Ostafrika ist Kenia ein Wachstumsmotor für die Region. Auch dank der Häfen Mombasa und Lamu sowie des Flughafens in Nairobi ist das Land ein wichtiger regionaler Hub im Handel, im Finanzwesen und Transport. Viele internationale Unternehmen und Organisationen haben Kenia als Sitz ihrer (Ost)Afrika-Niederlassungen gewählt.
Kenias Hauptstadt Nairobi ist ein Innovationszentrum in Afrika mit Anziehungskraft. Google wird 2022 hier sein erstes afrikanisches Entwicklungszentrum eröffnen und folgt damit Microsoft. Mit dem 2007 eingeführten Bezahlsystem M-Pesa zahlen heute 49 Millionen Nutzern via SMS. Fast alle Haushalte in Kenia besitzen ein Mobile-Money-Konto (96%). Durch diesen Erfolg konnte in Kenia ein professioneller Technologiesektor entstehen. Die Start-up-Szene und der Markt für mobiles Geld profitiert von einer vergleichsweise gut ausgebauten (digitalen) Infrastruktur: 3G- und 4-G-Netze decken etwas mehr als 96% des Landes ab. Ein 5G Netzwerk ist in der Pipeline. Der Zugang zum Internet ist noch nicht auf einem vergleichbaren Level. Nur 23% der kenianischen Bevölkerung benutzt das Internet. Die mobile Internetdurchdringung nimmt rapide zu, hier gibt es ein enormes, nicht ausgeschöpftes Marktpotential.
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Kenias, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Die Technologie- und Gründerszene Kenias hat es bisher nicht geschafft, den großen Erfolg von M-Pesa an anderer Stelle zu wiederholen. Eine enge Partnerschaft mit Deutschland, das 2020 von Bloomberg zur innovativsten Volkswirtschaft der Welt gekürt wurde, könnte hilfreich sein.
Kenia ist als regionaler Hub an Stabilität in seinem Umfeld interessiert und engagiert sich in multilateralen Foren, so wie der Friedensmission der Afrikanischen Union (AU) in Somalia, die eine der weltweit wichtigsten Handelsrouten am Horn von Afrika sichert. Anders als viele afrikanische Staaten hat Kenia als nicht-ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eine deutliche Position im Ukraine Krieg bezogen, indem es die Verletzung der ukrainischen territorialen Integrität und Russlands Verstöße gegen das Völkerrecht verurteilt hat.
Die exponentiell angestiegenen Investitionen Chinas haben die westliche Orientierung Kenias abgeschwächt, das Land ist aber bei weitem kein „Vasall“ Chinas. Im Gegenteil wägt Kenia zwischen potenziellen Partnern ab. China ist Kenias größter bilateraler Gläubiger, doch hat Japan in den letzten zwei Jahren die meisten neuen Kredite an Kenia vergeben. Kenia arbeite auch eng mit dem Internationalen Währungsfond (IMF) zusammen.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kenia aktuell in diesem Bereich?
Kenia hat als einziges Land der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) das 2014 mit der EU ausgehandelte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) ratifiziert. Das EPA ist entscheidend für die zukünftigen Handelsbeziehungen Deutschlands mit der EAC. Das Cotonou-Abkommen, das den meisten Staaten Subsahara-Afrikas einseitigen präferenziellen Zugang zum europäischen Markt ermöglicht hat, ist zum 30.11.2021 ausgelaufen. Kenia zählt als einziger EAC-Staat nicht zu den am wenigsten entwickelten Länder, die dank der europäischen Initiative „Alles außer Waffen“ zoll- und quotenfreien Zugang zum europäischen Markt erhalten. Nur ein gegenseitiges Abkommen wie das EPA ermöglicht Kenia weiterhin WTO-konformen bevorzugten Zugang zum europäischen Markt. Unterschiedliche Interessen der Nachbarstaaten macht die zeitnahe Umsetzung des EAC-EPA unwahrscheinlich.
Die EU hat reagiert, damit Kenia nicht den präferenziellen Zugang verliert. Nach Gesprächen mit der EU haben die EAC-Mitglieder auf ihrem Gipfeltreffen am 27. Februar 2021 beschlossen, dass das EPA auch zwischen der EU und einzelnen Ländern der EAC umgesetzt werden kann. Die EU und Kenia haben einen strategischen Dialog eingeleitet. Der Spitzendiplomat der EU, Josep Borell, bezeichnet Kenia als einen strategischen Partner, mit dem man an gemeinsame Problemen arbeiten will, u.a. die regionale Sicherheit, die Bekämpfung des Klimawandels und Armutsbekämpfung durch Handel und Investitionen. Seitdem haben die EU und Kenia ein vorübergehendes Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (interim Economic Partnership Agreement, iEPA) unterschrieben, das mit dem EAC-EPA vereinbar ist.
Es gibt widerstrebende handelspolitische Interessen in Kenia. Auf der einen Seite schützen einflussreiche Gruppen ihre Partikularinteressen durch Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Im Schatten der Corona-Pandemie verfangen verstärkt Argumente gegen eine weitere Marktöffnung. Zudem verhandelt Kenia bilateral Freihandelsabkommen mit den USA und dem Vereinigten Königreich. Es ist unklar, ob und wie diese mit dem EAC-EPA vereinbar sind.
Auf der anderen Seite gibt es Interesse an mehr Handel mit Deutschland und Europa, insbesondere in der auf den Export ausgerichteten Agrarindustrie und der Start-up-Szene, die auf Investoren aus dem Westen angewiesen ist.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Kenia in diesem Bereich zu intensivieren?
Großes Potential besteht in der Agrarindustrie. Moderne Agrartechnik und innovative Anbaumethoden sind nachgefragt. Europa nimmt momentan nur Produkte im größeren Umfang ab, die nicht mit subventionierten europäischen Produkten konkurrieren, insbesondere Schnittblumen, Kaffee und Tee. Die globalen Transporteinschränkungen infolge der Corona-Pandemie haben den Agrarexport Kenias zeitweise völlig zusammenbrechen lassen. Es ist unklar, ob die ursprünglichen Strukturen wiederhergestellt werden können. Dieser Prozess könnte zur Diversifizierung der Exporte führen.
In Kenia gibt es viele kleine Betriebe der Leichtindustrie, die dank einer vergleichsweise guten Infrastruktur in Wertschöpfungsketten der deutschen Industrie eingebunden werden könnten. Kenias Potenzial lässt sich erst dann komplett ausschöpfen, wenn regionaler Freihandel erreicht wäre. Eine Integration im Rahmen der AfCFTA würde die Bedeutung Kenias als Investitions- und Technologiestandort weiter stärken.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Deutschland sollte sich auf EU-Ebene weiter für Handelsabkommen einsetzen und das iEPA stärkten. Es ist die Antwort auf die anhaltende Blockade durch die anderen EAC-Mitgliedstaaten, und den Verhandlungen Kenias mit den USA und der UK. Sollten diese zuerst abgeschlossen werden, könnten sie zu Wettbewerbsnachteilen bei Zöllen für deutsche Unternehmen führen.
Die Umsetzung der AfCFTA, die zum 1.1.2021 offiziell in Kraft trat, sollte mit langem Atem begleitet werden. Für Kenia und deutsche Firmen, die aus Kenia heraus den Kontinent bedienen könnten, wäre eine rasche Umsetzung ein Segen. Diese ist wegen der gegenläufigen Interessen der afrikanischen Eliten (auch kenianischer) nicht zu erwarten. Bei erfolgreicher Implementierung sollte sich Deutschland für Verhandlungen eines EU-AU-Abkommens starkmachen.
Es braucht ein radikales Umdenken in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Ein zoll- und quotenfreier Zugang Kenias und anderer Staaten Subsahara-Afrikas zum EU Markt ist wenig wert, wenn der Wettbewerb durch die Subventionierung europäischer Produzenten verzerrt wird. Im Bereich der Milch- und Fleischproduktion sowie bei Obst- und Gemüsesorten, die auch in Europa erzeugt werden, hätte Kenia großes Potenzial als Lieferant.
Im Agrarbereich sollten Investitionen in eine stärkere Technisierung und Intensivierung der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft gefördert werden, nicht in die Festigung kleinräumigen und auf Subsistenz ausgerichteten Strukturen. Deutschland mit seinen Stärken in Landwirtschaft, Nahrungsmittelindustrie und Landmaschinenbau könnte in allen Phasen der Wertschöpfungskette profitieren.
Im Technologiebereich hat Kenia trotz beeindruckender Entwicklungen noch große Baustellen zu bewältigen. Zwar schneidet Kenia im 2020 Doing Business Report der Weltbank in der Kategorie „Getting Credit“ sehr gut ab. In den Kategorien „Starting a Business“, „Registering Property“ und „Trading Across Borders“ schneidet es schlecht ab. Innovationen und Handelsmöglichkeiten werden so im Keim erstickt. Über deutsche und europäische Förderbanken könnten zusätzliche Zugänge zu Kapital geschaffen werden. Korruption auf allen Ebenen des Staates ist der zentrale Bremser für Innovation und Investitionen. Hier muss die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik konsequent gegensteuern.
Ergänzend sollten Strukturen für den Wissensaustausch zwischen Deutschland und Kenia geschaffen werden wie die geplante deutsch-ostafrikanische Fachhochschule, die noch nicht ihre Arbeit aufnehmen konnte. Der Austausch mit der jungen Bevölkerung Kenias würde die Innovationsfähigkeit Deutschlands fördern.
Jan Cernicky ist Referent „Internationaler Handel und Wirtschaft“ in der Hauptabteilung Analyse und Beratung und leitete bis August 2020 das KAS-Auslandsbüro Kenia.
Gunter Rieck Moncayo ist Referent „Wirtschaft und Handel in Subsahara-Afrika“ in der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit.
Aktualisiert am: 23.05.2022
02 — Auslandsbüro
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