PARTNER ATLAS

KATAR

Als Partner für die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen

01 — Die Leitfragen zum Partner Atlas

RELEVANZ: Welche Relevanz hat Katar für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse „Die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen“ zu verwirklichen?

Als zweitkleinstes Land der arabischen Golfregion (und einem Anteil von weniger als 15 Prozent katarischer Staatsbürgerinnen und -bürger an der Gesamtbevölkerung) findet sich Katar in einer Nachbarschaft wieder, in der die Furcht vor hegemonialen Ambitionen größerer Staaten sowie die Erinnerung an die Blockade durch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten von 2017 bis 2021 fortwirkt. Vor diesem Hintergrund hat Katar ein Netz außenpolitischer Allianzen gesponnen, das dem Emirat territoriale Sicherheit und zugleich mehr geopolitischen Einfluss gibt – ein Netz eigentlich widersprüchlicher Allianzen. So unterhält Katar nicht nur gute und enge Beziehungen zur Türkei und zu Iran. Auch sind die politischen Beziehungen zu den USA sehr eng. Mit dem regionalen US Central Command ist amerikanisches Militär in Katar stationiert – auch um die Sicherheit der arabischen Golf-Monarchien durch Abschreckung gegenüber dem Iran zu gewährleisten. Zwar ist Katar den Normalisierungsabkommen zwischen Israel, den VAE und Bahrain von 2020 (Abraham Accords) nicht beigetreten; die Beziehungen zu Israel sind jedoch pragmatisch. Zugleich wird weiterhin allgemein die Schaffung eines palästinensischen Staates politisch und im Besonderen der Gaza-Streifen finanziell unterstützt. 

Mit dieser eigentümlichen „Diversifizierung“ außen- und sicherheitspolitischer Allianzen ist Katar in einer Position, unterschiedliche Akteure zusammenzubringen und sich als Mediator zu profilieren: beispielhaft geschehen in den Fällen Afghanistan, Eritrea, Libanon und Sudan. Es hat sich zudem bereit erklärt, zwischen den USA und Iran sowie der Türkei und Saudi-Arabien zu vermitteln. Dass Katar auch jenseits der Region Einfluss auf Sicherheit und Stabilität nimmt, hat sich in Nordafrika gezeigt. Neben der Förderung von Protestbewegungen während des Arabischen Frühlings 2011 beteiligte es sich an der NATO-Intervention in Libyen. Als weltweit größter Produzent von Flüssigerdgas (LNG) steht Katar insbesondere infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine in der europäischen und deutschen Aufmerksamkeit, um im Rahmen langfristiger Energiekooperationen mit den arabischen Golfstaaten perspektivisch einen Beitrag zur Diversifizierung und Sicherung von Europas Energieversorgung leisten zu können. Als Land am Golf mit guten Beziehungen zu Iran und Interesse an freiem Handel und sicheren Seewegen spielt es ebenfalls eine relevante Rolle für die weltweit vernetzte Exportnation Deutschland.

BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft von Katar, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?

Katar hat ein sehr hohes Interesse an Sicherheit und Stabilität in der Region und darüber hinaus – es ist zentrales außenpolitisches Leitmotiv in dem Bestreben, ein sicheres Umfeld für Investitionen und Wirtschaft zu bieten und innenpolitische Stabilität aufrechtzuerhalten. Deutschland wird von Katar als Akteur gesehen, der die katarischen Interessen an regionaler Stabilität und Sicherheit teilt – und dies insbesondere auch während der Golf-Krise deutlich gemacht hat. In der Gesamtschau bleiben für dieses Interesse aufseiten Katars jedoch andere Staaten letztlich entscheidender: die USA, Großbritannien und Frankreich. Die Bereitschaft einer verstärkten Zusammenarbeit mit Europa erscheint hoch. Zugleich sind die Beziehungen zu Russland und vor allem zu China enger geworden. Es bestehen ein politischer Austausch und Kooperationen in Feldern wie Wirtschaft und Energie sowie auch vereinzelt hinsichtlich sicherheitspolitischer Fragen. Chinesische Unternehmen haben sich am Bau mehrerer Infrastrukturprojekte in Doha beteiligt und Peking hat seine Sicherheitspartnerschaft mit Doha ausgebaut.

STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Katar aktuell in diesem Bereich?

Die deutsch-katarische Zusammenarbeit im außen- und sicherheitspolitischen Bereich findet größtenteils auf multilateraler Ebene statt. Dies ist zum Beispiel der Fall bei der Mission „Counter Daesh/Capacity Building Iraq“: Teile jener Aufgaben, die von deutschen Soldatinnen und Soldaten seit 2016 übernommen werden, werden aus der multinational geführten Operationszentrale im katarischen Al Udeid wahrgenommen.

Seit den 2000er Jahren besteht auch verstärkt eine bilaterale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Katar. Ein umfassendes Sicherheitsabkommen wurde unter anderem geschlossen für die Bereiche Terrorismus, Terrorismusfinanzierung, illegaler Waffenhandel, Cyberkriminalität, Wirtschafts- und Finanzkriminalität. Auch unterstützt Deutschland Katar bei der Aus- und Fortbildung der Sicherheitsorgane. Schließlich sei verwiesen auf die Zusammenarbeit bei Organisation und Sicherung von Großveranstaltungen, insbesondere im Hinblick auf die in Katar ausgerichtete Fußball-Weltmeisterschaft Ende 2022.

Katar konnte zudem – insbesondere im Interesse der USA und Deutschlands – einen Ort schaffen, an dem politische Gespräche mit den Taliban außerhalb von Afghanistan möglich waren. Noch heute agiert Katar als Mittler zwischen Taliban und westlichen Staaten. Mit Blick auf seine Vermittlerrolle zwischen westlichen Hauptstädten und Teheran sowie seine frühere Komplementärrolle bezüglich Syrien, Libyen und Jemen, beteiligte und beteiligt sich Katar an einer Regional- und Außenpolitik, die auch Deutschlands Interessen entspricht. Im Frühjahr 2022 äußerte US-Präsident Biden, Katar zum Major non-NATO ally zu ernennen, nachdem es bereits Teilnehmer der Istanbul Cooperation Initiative (ICI) der NATO ist.

POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Katar in diesem Bereich zu intensivieren?

Potenzial für eine Intensivierung der Partnerschaft ergibt sich insbesondere bezüglich einer Stabilisierung der Golfregion sowie allgemein des Nahen und Mittleren Ostens als europäische Nachbarschaftsregion, die vor allem mit Blick auf Energiepolitik, Migration sowie freie See- und Handelswege von besonderer Relevanz für Deutschland bleibt. Hier sollte weiter auf eine deutsch-katarische Partnerschaft im Bereich politische Konfliktlösung und Mediation gesetzt werden. Deutschland verfügt unter anderem aufgrund seiner im Vergleich zu den USA, Großbritannien und Frankreich „neutraleren“ Vergangenheit (und trotz seines Einstehens für Israel) über einen Vertrauensvorschuss unterschiedlicher, auch antagonistischer Akteure – zu denen Katar, wie oben beschrieben, gute kommunikative Zugänge unterhält. So könnten Deutschland und Katar gemeinsam die aktuellen Entspannungstendenzen am Golf (insbesondere zwischen Saudi-Arabien und Iran) flankieren. Auch in anderen Konflikt- und Kriegskontexten wie im Jemen bestehen Kooperationspotenziale. Bezüglich des israelisch-palästinensischen Konflikts decken sich die grundsätzlichen Positionierungen Deutschlands und Katars: die Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung. Auch hier könnten sich die außen- und sicherheitspolitischen Profile, ihr Vertrauenskapital in der Region sowie kommunikative Zugänge beider Länder als komplementär in der Konfliktbeschwichtigung und -lösung erweisen. Weitere Potenzialfelder sind Religionsdialog, Extremismusbekämpfung, Entwicklungspolitik.

POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?

Anders als zum Beispiel Großbritannien oder Frankreich hat Deutschland zwar eine neutralere Vergangenheit in der Golf-Region. Damit einher geht aber auch, dass es an historisch gewachsenen Beziehungen fehlt. Hinzu kommt deutsche Kritik bezüglich Arbeitsbedingungen, der Fußball-Weltmeisterschaft und Rüstungsexporten. Nach einer gewissen Zögerlichkeit ist die deutsche Politik seit den 2000er Jahren auch über wirtschaftliche Fragen hinaus hinsichtlich sicherheitspolitischer Kooperation und allgemeiner Dialogmaßnahmen aktiver geworden. Dies sollte vor dem Hintergrund des genannten Potenzials verstetigt und intensiviert werden. Zugleich ist es für Deutschland wichtig, als ausgewogener und auch eigenständiger Akteur in der Region zu agieren. Ausgewogen in Bezug auf die Beziehungen zu den anderen Staaten am Golf – hier darf nicht der Eindruck entstehen, Deutschland favorisiere ein Land gegenüber einem anderen; die deutschen Beziehungen zu Katar müssen eingebettet sein in eine zu entwickelnde Gesamt-Golf-Strategie. Die deutsche Außenpolitik sollte sich gegenüber Katar und der Region weiterhin europäisch vollziehen und in Partnerschaft mit den USA. Wenn sich jedoch der Trend eines US-amerikanischen Rückzugs aus der Region verstetigt, wird Deutschland eigenständiger agieren müssen, wie dies im Fall von Großbritannien, Frankreich und Italien bereits beobachtet werden kann.

Fabian Blumberg leitet das KAS-Regionalprogramm Golfstaaten.

KATAR

  • Population: 2.982.124
  • Capital: Doha
  • Interesse: Die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen
  • Region: Naher Osten und Nordafrika

02 — Auslandsbüro

Kontakt:

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
Auslandsbüro Syrien und Irak
Benoît-Barakat-Straße 23, Jabre-Gebäude, 5. Stock
Badaro – Beirut
Libanon

03 — Die Region

Naher Osten und Nordafrika

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KATAR

Als zweitkleinstes Land der arabischen Golfregion (und einem Anteil von weniger als 15 Prozent katarischer Staatsbürgerinnen und -bürger an der Gesamtbevölkerung) findet sich Katar in einer Nachbarschaft wieder, in der die Furcht vor hegemonialen Ambitionen größerer Staaten sowie die Erinnerung an die Blockade durch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten von 2017 bis 2021 fortwirkt.

  • Population: 2.982.124
  • Capital: Doha
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MAROKKO

Marokko hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Partner Deutschlands in Migrationsfragen entwickelt. Das Königreich hat zum einen eine besondere Rolle innerhalb der Afrikanischen Union (AU) und der internationalen Gemeinschaft übernommen, zum anderen ist es selbst eines der Länder, in der Migration in unterschiedlicher Art und Weise stattfindet. Im Februar 2019 präsentierte Marokko bei der AU eine neue Migrationspolitik für Afrika und stellte die Perspektive der Entwicklung durch Migration in den Vordergrund. Die neue Politik legt besonderen Wert darauf, dass Migration kein Sicherheitsproblem ist, sondern in erster Linie Fluchtursachen zu bekämpfen sind. 

  • Population: 36.930.188
  • Capital: Rabat
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LIBYEN

Libyen ist zwar das viertgrößte Land auf dem afrikanischen Kontinent, liegt in direkter Nachbarschaft zu Europa und ist reich an Bodenschätzen, spielte aber abseits der üppigen Erdölimporte Deutschlands bislang als deutscher Handelspartner eine eher untergeordnete Rolle. Dies ist verständlich. Die Machtkämpfe verschiedener Fraktionen, die das Land nach dem Sturz Muammar Al-Gaddafis 2011 ins Chaos stürzten und in verschiedenen Bürgerkriegen mündeten, zerstörten nahezu alle Wirtschaftszweige im Land.

  • Population: 7.056.971
  • Capital: Tripolis
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JORDANIEN

Jordanien gilt spätestens seit dem „Arabischen Frühling“, der viele Länder der Region in ihren Grundfesten erschütterte, als Stabilitätsanker. Für die deutsche Außenpolitik ist die Aufrechterhaltung dieser Stabilität von zentralem Interesse.

  • Population: 10.402.753
  • Capital: Amman
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ISRAEL

Deutschland und Israel pflegen eine intensive Partnerschaft, die sowohl auf gemeinsamen Interessen als auch auf geteilten Werten beruht. Den Ausgangspunkt der besonderen Beziehungen bilden die Shoa und die davon abgeleitete historische Verantwortung. Dass zwei Staatsmänner, Konrad Adenauer und David Ben-Gurion, den Grundstein dafür legten, bezeichnete der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert in einer Rede vor der Knesset im Jahr 2015 als „doppelten Glücksfall der Geschichte“.

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SAUDI-ARABIEN

Die Relevanz Saudi-Arabiens für Deutschlands Wirtschaftsinteressen ergibt sich aus der grundsätzlichen Bedeutung des Landes für Stabilität und Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten, den Bestrebungen zur Modernisierung und Diversifizierung seiner Wirtschaft sowie seinem Ölreichtum.

  • Population: 34.813.871
  • Capital: Riyad
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IRAK

Der Irak besitzt weltweit die fünftgrößten Erdöl- und die zwölftgrößten Erdgasreserven. Das Land ist Gründungsmitglied der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und dort in den letzten Jahren zum zweitgrößten Produzenten aufgestiegen. Für die kommenden Jahre erwägt die irakische Regierung, den Öl- und Gassektor weiter auszubauen und die Förderkapazitäten damit noch stärker zu erhöhen, obwohl Experten sowie Regierungsmitglieder eine Diversifizierung des irakischen Wirtschafts- und Energiesektors fordern. Der Irak spielt eine wichtige Rolle für die Stabilität der globalen Energiemärkte, die auch für Deutschland als erfolgreiche Technologie- und Exportnation von hoher Bedeutung ist.

  • Population: 40.263.275
  • Capital: Bagdad
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ALGERIEN

Als flächenmäßig größtes Land Afrikas, Scharnierstaat zwischen der MENA-Region, sowie der Sahelzone und unmittelbarer Nachbar besitzt Algerien eine natürliche Relevanz für Deutschland und Europa. Die Armee besitzt als Institution einen hohen Stellenwert und die Verteidigungsausgaben liegen stabil bei 6% des BIP.

  • Population: 43.886.707
  • Capital: Alger
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TUNESIEN

In vielerlei Hinsicht nimmt Tunesien in der MENA-Region eine Sonderrolle ein. Als direkter Nachbar Europas haben Handel, Gastarbeiter und enge politische Beziehungen Tunesiens Gesellschaft stark europäisch geprägt. Säkularisierung und Modernisierung haben Tunesiens Politik nach der Unabhängigkeit bestimmt und entfalten ihre Wirkung bis heute. Tunesien schlug als einziges Land in der arabischen Welt nach den Protesten von 2011 mittelfristig einen Weg in Richtung Demokratisierung ein. Die Überwindung des autoritären Ben Ali-Regimes, der Übergang in die Transformationsphase sowie die Errungenschaften der Revolution haben eine Sonderstellung Tunesiens begünstigt: Die tunesische Verfassung aus dem Jahr 2014, die den zivilen Charakter des Staates definiert, gilt trotz einiger Defizite als eine der liberalsten in der Region.

  • Population: 11.824.128
  • Capital: Tunis
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MAROKKO

Das Königreich Marokko ist aufgrund seiner geografischen Lage am Atlantik, der Mittelmeerküste und dem Nordrand der Sahara für den Klimawandel und seine negativen Folgen äußerst anfällig. Es hatte das Thema früh und ambitioniert auf die eigene Agenda gesetzt. 2016 war Marrakesch Gastgeber der 22. Internationalen Klimakonferenz (COP 22). Heute zeigt sich Marokko in den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sogar als regional führend.

  • Population: 36.930.188
  • Capital: Rabat
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