PARTNER-ATLAS
KASACHSTAN
Als Partner für die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen
01 — Die Leitfragen zum Partner-Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Kasachstan für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen" zu verwirklichen?
Mit der Multi-Vektoren-Politik hat die Führung des Landes enge wirtschaftliche und politische Kontakte zu seinen großen Nachbarn Russland und China, aber auch zu den USA und der Europäischen Union sowie in die arabische Welt, die Türkei, Südkorea, Iran u.a. auf- und ausgebaut. Inzwischen hat Kasachstan auch diplomatische Beziehungen zu vielen Staaten in Afrika und Südamerika aufgenommen. Die Multi-Vektoren-Politik ist für Kasachstan alternativlos, gerade auch angesichts des aktuellen Krieges in der Ukraine. Die Politik der Neutralität hat sich bewährt. Es gilt nun nicht nur Antworten auf die Belt and Road-Initiative der chinesischen Regierung zu finden, sondern auch eine Alternative zu Russland in den Bereichen Sicherheit und Wirtschaft für die Europäische Union und Deutschland zu werden. Deutschland und die EU müssen hier den umworbenen bzw. beteiligten Ländern eine klare Strategie der Zusammenarbeit anbieten, um die wachsenden geopolitischen Ansprüche Chinas und Russlands einzugrenzen.
Mit der Europäischen Union hat Kasachstan ein erweitertes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen abgeschlossen, welches am 01. März 2020 in Kraft trat. In dem neuen Abkommen geht es nicht nur um Wirtschaftsfragen, sondern auch um die Kooperation bei internationalen Sicherheitsaspekten. Für Deutschland und die Europäischen Union bleibt Kasachstan damit der sicherheitspolitische Stabilitätsanker in Zentralasien.
Kasachstans außen- und sicherheitspolitisches Engagement spiegelt sich durch zahlreiche Mitgliedschaften in internationalen Organisationen wider. Das Land ist u.a. Mitglied der Vereinten Nationen (UN, gewähltes Mitglied des Sicherheitsrats 2017/18), der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE, Vorsitz 2010), der Welthandelsorganisation (WTO, seit 2015), der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (ECO), des Programms für Regionale Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Zentralasien (CAREC), der Organisation zur Kollektiven Sicherheit (CSTO), der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC, Vorsitz 2011) und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO).
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Kasachstans, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Als es Anfang Januar 2022 zu landesweiten Unruhen kam, die mit einem Elitenwechsel verbunden war, sah Kasachstan Russland noch als seinen ersten strategischen Partner in Fragen der Sicherheitspolitik an. Russland sandte auf Wunsch der kasachischen Regierung als erstes Friedenstruppen im Rahmen des CSTO-Vertrags nach Almaty, um die Macht des zweiten Präsidenten zu retten. Nach dem Einmarsch in die Ukraine und den damit verhängten Sanktionen gegen Russland hat sich die Politik Kasachstans stärker westlich orientiert, vor allem in Richtung EU und Deutschland, um stärkere wirtschaftliche und politische Beziehungen aufzubauen. Die offizielle Position der Akorda (Präsidialverwaltung) in Bezug auf Russland zeugt allerdings weiterhin von Zurückhaltung, eingedenk der starken wirtschaftlichen und militärischen Abhängigkeiten Kasachstans von der Russischen Föderation. Nichtsdestotrotz betrachtet das Land die aktuelle geopolitische Krise auch als „Window of Opportunities“ und sucht nach Möglichkeiten, die aus Russland abziehenden westlichen Firmen von dem Investitionsstandort Kasachstan zu überzeugen und z.B. Gaspipelinenetze außerhalb des russischen Territoriums aufzubauen.
Sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Implementierung der ersten EU-Zentralasienstrategie (2007) war Kasachstan das einzige zentralasiatische Land, welches signifikant an einer Realisierung mitgearbeitet hat. Führend war Kasachstan auch an der Ausarbeitung der neuen EU-Zentralasienstrategie beteiligt, die am 17. Juni 2019 vom Rat der Europäischen Union angenommen wurde.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kasachstan aktuell in diesem Bereich?
Eine Zusammenarbeit mit Deutschland erfolgt von kasachischer Seite zum einen über die gemeinsame Mitgliedschaft in multilateralen Organisationen wie UN und OSZE. Sie erfolgt aber seit Jahrzehnten auch bilateral entlang gemeinsamer Themen, z.B. bei der Verhinderung von Proliferation sowie die Unterbindung von Menschen-, Waffen- und Drogenhandel. Dabei wird mit deutschen Behörden zusammengearbeitet, insbesondere auch mit dem Bundeskriminalamt und dem Bundesnachrichtendienst.
Bereits am 10. April 1995 haben Deutschland und Kasachstan ein Abkommen zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität in Almaty unterzeichnet. Der Beschluss unterhält eine Zusammenarbeit über die gesamte Breite der Sicherheitspolitik, von der Bekämpfung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität bis hin zur Cyberabwehr und Fälschungsdelikten. Dabei ist der Austausch von Fachleuten und personenbezogenen Daten vorgesehen.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Kasachstan diesem Bereich zu intensivieren?
Die Unabhängigkeit Kasachstans wurde von Deutschland am 31. Dezember 1991 anerkannt. Seit dem 11. Februar 1992 gibt es diplomatische Beziehungen zwischen beiden Ländern. Seitdem ist die Kooperation, auch im Sicherheitsbereich, stetig vertieft worden. Gerade im bilateralen Verhältnis lassen sich bei der Terrorbekämpfung und anderen Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung Fortschritte erzielen. Zwischen dem kasachischen Außenministerium und dem deutschen Innenministerium gibt es einen regen Austausch hinsichtlich der ethnischen Deutschen in Kasachstan. Die jahrzehntelange vertrauensvolle Zusammenarbeit birgt das Potenzial für eine thematische und organisatorische Ausweitung sicherheitspolitischer Themen.
Aufgrund der Energieknappheit in der EU und in Deutschland, die seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine aufgetreten ist, sollte das Potenzial Kasachstans im Bereich der Energiesicherheit nicht unterschätzt werden. So hat Österreich z.B. schon 7,8 % seiner Ölimporte aus Russland durch kasachisches Öl ersetzt. Es bleibt unverständlich, dass hier von Seiten Deutschlands immer noch viel zu wenig Engagement gezeigt wird.
Kasachstan setzt derzeit ein Programm politischer und wirtschaftlicher Reformen um, welches von Präsident Tokajew am 16. März 2022 vorgeschlagen wurde. Maßnahmen zur Demokratisierung staatlicher Prozesse, zur Reduzierung der Befugnisse des Präsidenten, zur Verbesserung des Parlamentarismus und Stärkung der Zivilgesellschaft zeigen den Wunsch der Regierung, sich verstärkt dem Westen zuzuwenden.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kasachstan ist in Wirtschaft und Politik ausbaufähig. Wichtig ist, Kasachstan noch stärker als strategischen Partner wahrzunehmen. So gibt es z.B. seit 2012 eine Rohstoff- und Technologiepartnerschaft, die nicht wirklich mit Leben gefüllt wird. Es gilt den politischen Dialog mit Deutschland und der Europäischen Union zu stärken, insbesondere zwischen den Parlamenten – eine der Hauptaufgaben der Konrad-Adenauer-Stiftung vor Ort.
Johannes D. Rey leitet das KAS-Auslandsbüro Kasachstan.
Aktualisiert am: 25.05.2022
02 — Auslandsbüro
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