PARTNER-ATLAS

JORDANIEN

Als Partner für die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen

01 — Die Leitfragen zum Partner Atlas

RELEVANZ: Welche Relevanz hat Jordanien für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen" zu verwirklichen?

Jordanien gilt spätestens seit dem „Arabischen Frühling“, der viele Länder der Region in ihren Grundfesten erschütterte, als Stabilitätsanker. Für die deutsche Außenpolitik ist die Aufrechterhaltung dieser Stabilität von zentralem Interesse.

Erstens ist sie für die Sicherheit Israels unverzichtbar. Mit 240 Kilometern teilt Israel mit Jordanien seine längste Landgrenze. Durch die Sicherheitskooperation beider Länder wird verhindert, dass gewaltbereite Gruppen sich einen Rückzugsraum östlich des Jordans schaffen und diesen für Angriffe auf israelische Ziele nutzen können. Die Sonderrolle des Haschemitischen Königshauses in Jerusalem, wo es als Schutzherr der heiligen islamischen Stätten fungiert, macht Jordanien darüber hinaus zu einem wichtigen Akteur, um Fortschritte im Nahostkonflikt zu erzielen. 

Zweitens fungiert Jordanien als Pufferzone gegenüber Syrien und Irak. Die beiden früheren Kernstaaten der Levante haben sich nach Jahren des Bürgerkrieges zu potenziellen Exporteuren von Instabilität entwickelt, wie der dortige Aufstieg der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) nachdrücklich gezeigt hat. Zuletzt haben sich die Produktion und der Schmuggel von Drogen aus Syrien, die unter anderem der Finanzierung von Milizen dienen, die teilweise dem Iran nahestehen, zu einem veritablen Sicherheitsproblem ausgewachsen. Bisher sind vor allem die arabischen Golf-Staaten als Abnahmeländer betroffen, doch droht sich der Drogenexport auch nach Europa auszuweiten. Umso wichtiger ist die Grenzsicherung an Syriens Südgrenze. Zudem bleibt Jordanien ein wichtiger Standort zur Bekämpfung terroristischer und krimineller Gruppen, die aus Syrien und dem Irak heraus agieren. 

Drittens ist Jordanien seit Jahrzehnten ein Aufnahmeland für Flüchtlinge aus seinen Nachbarländern. Die Palästinenser, die 1948 und 1967 aus ihrer Heimat flohen, und ihre Nachkommen stellen heute mindestens die Hälfte der jordanischen Bevölkerung. Seit Beginn des dortigen Bürgerkrieges hat Jordanien mehr als eine Million Syrer aufgenommen. Gerade mit Blick auf die desaströse Wirtschaftslage in Syrien ist von deren baldiger Rückkehr nicht auszugehen. Eine Destabilisierung Jordaniens würde neue Flüchtlingsbewegungen nach Europa auslösen.

Viertens spielt Jordanien – trotz eigener Abhängigkeit von internationaler finanzieller Unterstützung – nach wie vor eine Schlüsselrolle in der nahöstlichen Diplomatie. Es ist ein traditionell enger Partner des Westens und zugleich von regionalen Akteuren als Gesprächspartner akzeptiert. Bei der derzeitigen Reorganisation der geopolitischen Ordnung im Nahen und Mittleren Osten kann Jordanien eine moderierende Rolle spielen und damit einen Beitrag zu einer Sicherheitsarchitektur leisten, die als Voraussetzung für eine dauerhafte Stabilisierung der Region auch im deutschen Interesse ist.

BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Jordaniens, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?

Wenngleich die Vereinigten Staaten traditionell der wichtigste Partner des Landes sind und auf absehbare Zeit bleiben werden, ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Deutschland hoch, auch im sicherheitspolitischen Bereich. Dass die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bei ihrem Antrittsbesuch in Amman nicht nur vom Premierminister, sondern auch vom König empfangen wurde, hat dies eindrücklich gezeigt. Die jordanischen Streitkräfte sind schon allein aufgrund des strukturellen Haushaltsdefizits des Königreichs auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen – entsprechend lang ist ihre Wunschliste für militärisches Material an ihre Partner, einschließlich Deutschland. 

Grundsätzlich genießt die Bundesrepublik einen guten Ruf im Land, auch der Beitrag der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in strategisch wichtigen Bereichen wie dem Wassersektor wird zumindest in informierten Kreisen geschätzt. Allerdings nehmen weite Teile der jordanischen Gesellschaft die deutsche Haltung im Nahostkonflikt als einseitig pro-israelisch wahr, gerade in Phasen der Eskalation, wie im jüngsten Gaza-Krieg im Mai 2021. Vor allem aus den islamistisch oder nationalistisch geprägten Milieus gibt es zudem immer wieder Agitationen gegen vermeintlich westliche Einmischung in innere Angelegenheiten sowie hinsichtlich der geopolitischen Ausrichtung des Landes. Die Außen- und Sicherheitspolitik wird zwar nach wie vor vom König bestimmt, der aber durchaus auf Stimmungen in der Bevölkerung Rücksicht nehmen muss.

STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Jordanien aktuell in diesem Bereich?

Deutschland hat in der vergangenen Dekade seine Beziehungen zu Jordanien intensiviert. Es ist mit derzeit jährlich rund 500 Millionen Euro an jährlicher Entwicklungshilfe (einschließlich Kredite) zum zweitgrößten bilateralen Geber des Landes avanciert (nach den USA). Die langjährige Bundeskanzlerin Angela Merkel und der seit 1999 regierende König Abdullah pflegten ein besonders vertrautes Verhältnis. Anfang 2022 besuchten die Außen- und die Verteidigungsministerin der neuen Bundesregierung Jordanien und setzten damit ein Signal der Kontinuität enger bilateraler Beziehungen. 

2016 wurde Jordanien in die Ertüchtigungsinitiative aufgenommen, mit der die Bundesrepublik befreundete Staaten sicherheitspolitisch stärkt. Deutschland engagiert sich in Jordanien vor allem im Bereich der Grenzsicherung im Nordosten des Landes und fördert dabei auch die israelisch-jordanische Zusammenarbeit. Seit Oktober 2017 sind deutsche Soldaten auf der Luftwaffenbasis Al-Azraq stationiert (derzeit mit einer Truppenstärke von rund 150 Personen), von wo aus sich die Bundeswehr am Anti-IS-Einsatz im Irak (und bis 2020 in Syrien) beteiligt.

Außenpolitisch haben sich seit Anfang 2020 Deutschland und Jordanien, gemeinsam mit Frankreich und Ägypten, zu einer informellen, oft Munich Group genannten Koordinierungsrunde zusammengetan. Diese sollte angesichts der einseitigen und in weiten Teilen völkerrechtswidrigen Maßnahmen der US-amerikanischen und der israelischen Regierung in der Ära Trump/Netanjahu für die internationalen Parameter im Nahostfriedensprozess einstehen. Zuletzt haben sich die Außenminister der vier Länder am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2022 getroffen.

POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Jordanien in diesem Bereich zu intensivieren?

Deutschland hat seine Unterstützung für Jordanien in der vergangenen Dekade vervielfacht und leistet damit unter anderem einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der syrischen Flüchtlingskrise. Soll diese Hilfe nachhaltig wirken als ein längerfristiger Beitrag zur Stabilisierung Jordaniens und damit zur Nahostregion, muss sie in einen politischen Rahmen gefasst werden, der auch eine Zielperspektive für die Entwicklung des Landes beinhaltet. 

In der Nahostdiplomatie kann Deutschland Jordanien noch enger einbinden. Berlin kann hier zum einen die regionale Mittlerrolle und Dialogfähigkeit Ammans nutzen. Zum anderen muss klar sein, dass die fortdauernden Brandherde in der Nachbarschaft, wie der israelisch-palästinensische Konflikt oder die Syrienkrise, immer auch auf Jordanien übergehen und seine Stabilität gefährden können.

POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?

Im Verteidigungs- und Sicherheitssektor sollte Deutschland wie bisher komplementär zu anderen westlichen Partnern agieren. Jenseits der bilateralen Zusammenarbeit sollte Jordanien weiterhin als Partner der NATO gestärkt und damit die Modernisierung der jordanischen Armee unterstützt werden. Großer Bedarf besteht hier nach wie vor im Bereich der Abwehr von Cyberattacken sowie hinsichtlich biologischer und nuklearer Kampfstoffe, mit denen insbesondere nichtstaatliche Akteure Jordanien – und westliche Ziele in Jordanien – bedrohen könnten. 

Die deutsche Nahostpolitik kann darüber hinaus Jordaniens Bemühungen um regionale Kooperation unterstützen, etwa durch gezielte Förderung grenzüberschreitender Infrastrukturprojekte. Einen vielversprechenden Ansatzpunkt bietet dabei die jüngst unter dem Schlagwort „The New Levant“ neu lancierte Zusammenarbeit zwischen Amman, Bagdad und Kairo. Angesichts seiner geopolitischen Schlüssellage kann Jordanien auch beim Ausbau der Energie-Infrastruktur in der Region und dem Erschließen neuer Energiequellen für Europa, wie grünem Wasserstoff, eine Rolle spielen, die Deutschland gezielt befördern kann. 

Daneben gilt es, die Bemühungen um Fortschritte im israelisch-palästinensischen Konflikt zu intensivieren und dabei immer auch den Dialog mit Jordanien zu suchen. Die fortdauernde israelische Besatzung der Palästinensergebiete bleibt für das Haschemitische Königreich ein potenzieller Faktor der Destabilisierung –da dadurch unter anderem eine Mobilisierung von Bevölkerungsgruppen gegen die jordanische Regierung bzw. das Königshaus ermöglicht wird.

Grundsätzlich sollte Deutschland sein hohes Niveau der Entwicklungszusammenarbeit in der näheren Zukunft zwar aufrechterhalten, mittelfristig aber stärker auf die Eigenverantwortung Jordaniens setzen. Dabei müssen auch die strukturellen Probleme in der Regierungsführung, in der Verwaltung und im Wirtschaftsmodell wie Korruption und Klientelismus offen adressiert und der deutsche Beitrag möglichst gezielt und konditioniert eingesetzt werden. Nur wenn Jordanien im Bereich politischer Reformen und Schutz der Menschenrechte die Ziele erreicht, die es sich selbst gesteckt hat, kann das Land auf Dauer ein privilegierter Partner deutscher Außenpolitik und ein Anker der Stabilität im Nahen und Mittleren Osten sein.

Dr. Edmund Ratka leitet das KAS-Auslandsbüro in Jordanien.

JORDANIEN

  • Population: 10.402.753
  • Capital: Amman
  • Interesse: Die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen
  • Region: Naher Osten und Nordafrika

02 — Auslandsbüro

Kontakt:

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
Auslandsbüro Jordanien
23, Isma'eel Haqqi Abdoh Street, Sweifieh
11183 Amman
Jordanien

03 — Die Region

Naher Osten und Nordafrika

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KATAR

Als zweitkleinstes Land der arabischen Golfregion (und einem Anteil von weniger als 15 Prozent katarischer Staatsbürgerinnen und -bürger an der Gesamtbevölkerung) findet sich Katar in einer Nachbarschaft wieder, in der die Furcht vor hegemonialen Ambitionen größerer Staaten sowie die Erinnerung an die Blockade durch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten von 2017 bis 2021 fortwirkt.

  • Population: 2.982.124
  • Capital: Doha
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MAROKKO

Marokko hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Partner Deutschlands in Migrationsfragen entwickelt. Das Königreich hat zum einen eine besondere Rolle innerhalb der Afrikanischen Union (AU) und der internationalen Gemeinschaft übernommen, zum anderen ist es selbst eines der Länder, in der Migration in unterschiedlicher Art und Weise stattfindet. Im Februar 2019 präsentierte Marokko bei der AU eine neue Migrationspolitik für Afrika und stellte die Perspektive der Entwicklung durch Migration in den Vordergrund. Die neue Politik legt besonderen Wert darauf, dass Migration kein Sicherheitsproblem ist, sondern in erster Linie Fluchtursachen zu bekämpfen sind. 

  • Population: 36.930.188
  • Capital: Rabat
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LIBYEN

Libyen ist zwar das viertgrößte Land auf dem afrikanischen Kontinent, liegt in direkter Nachbarschaft zu Europa und ist reich an Bodenschätzen, spielte aber abseits der üppigen Erdölimporte Deutschlands bislang als deutscher Handelspartner eine eher untergeordnete Rolle. Dies ist verständlich. Die Machtkämpfe verschiedener Fraktionen, die das Land nach dem Sturz Muammar Al-Gaddafis 2011 ins Chaos stürzten und in verschiedenen Bürgerkriegen mündeten, zerstörten nahezu alle Wirtschaftszweige im Land.

  • Population: 7.056.971
  • Capital: Tripolis
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JORDANIEN

Jordanien gilt spätestens seit dem „Arabischen Frühling“, der viele Länder der Region in ihren Grundfesten erschütterte, als Stabilitätsanker. Für die deutsche Außenpolitik ist die Aufrechterhaltung dieser Stabilität von zentralem Interesse.

  • Population: 10.402.753
  • Capital: Amman
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ISRAEL

Deutschland und Israel pflegen eine intensive Partnerschaft, die sowohl auf gemeinsamen Interessen als auch auf geteilten Werten beruht. Den Ausgangspunkt der besonderen Beziehungen bilden die Shoa und die davon abgeleitete historische Verantwortung. Dass zwei Staatsmänner, Konrad Adenauer und David Ben-Gurion, den Grundstein dafür legten, bezeichnete der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert in einer Rede vor der Knesset im Jahr 2015 als „doppelten Glücksfall der Geschichte“.

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SAUDI-ARABIEN

Die Relevanz Saudi-Arabiens für Deutschlands Wirtschaftsinteressen ergibt sich aus der grundsätzlichen Bedeutung des Landes für Stabilität und Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten, den Bestrebungen zur Modernisierung und Diversifizierung seiner Wirtschaft sowie seinem Ölreichtum.

  • Population: 34.813.871
  • Capital: Riyad
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IRAK

Der Irak besitzt weltweit die fünftgrößten Erdöl- und die zwölftgrößten Erdgasreserven. Das Land ist Gründungsmitglied der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und dort in den letzten Jahren zum zweitgrößten Produzenten aufgestiegen. Für die kommenden Jahre erwägt die irakische Regierung, den Öl- und Gassektor weiter auszubauen und die Förderkapazitäten damit noch stärker zu erhöhen, obwohl Experten sowie Regierungsmitglieder eine Diversifizierung des irakischen Wirtschafts- und Energiesektors fordern. Der Irak spielt eine wichtige Rolle für die Stabilität der globalen Energiemärkte, die auch für Deutschland als erfolgreiche Technologie- und Exportnation von hoher Bedeutung ist.

  • Population: 40.263.275
  • Capital: Bagdad
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ALGERIEN

Als flächenmäßig größtes Land Afrikas, Scharnierstaat zwischen der MENA-Region, sowie der Sahelzone und unmittelbarer Nachbar besitzt Algerien eine natürliche Relevanz für Deutschland und Europa. Die Armee besitzt als Institution einen hohen Stellenwert und die Verteidigungsausgaben liegen stabil bei 6% des BIP.

  • Population: 43.886.707
  • Capital: Alger
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TUNESIEN

In vielerlei Hinsicht nimmt Tunesien in der MENA-Region eine Sonderrolle ein. Als direkter Nachbar Europas haben Handel, Gastarbeiter und enge politische Beziehungen Tunesiens Gesellschaft stark europäisch geprägt. Säkularisierung und Modernisierung haben Tunesiens Politik nach der Unabhängigkeit bestimmt und entfalten ihre Wirkung bis heute. Tunesien schlug als einziges Land in der arabischen Welt nach den Protesten von 2011 mittelfristig einen Weg in Richtung Demokratisierung ein. Die Überwindung des autoritären Ben Ali-Regimes, der Übergang in die Transformationsphase sowie die Errungenschaften der Revolution haben eine Sonderstellung Tunesiens begünstigt: Die tunesische Verfassung aus dem Jahr 2014, die den zivilen Charakter des Staates definiert, gilt trotz einiger Defizite als eine der liberalsten in der Region.

  • Population: 11.824.128
  • Capital: Tunis
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MAROKKO

Das Königreich Marokko ist aufgrund seiner geografischen Lage am Atlantik, der Mittelmeerküste und dem Nordrand der Sahara für den Klimawandel und seine negativen Folgen äußerst anfällig. Es hatte das Thema früh und ambitioniert auf die eigene Agenda gesetzt. 2016 war Marrakesch Gastgeber der 22. Internationalen Klimakonferenz (COP 22). Heute zeigt sich Marokko in den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sogar als regional führend.

  • Population: 36.930.188
  • Capital: Rabat
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