PARTNER-ATLAS
JAPAN
Als Partner für die Sicherung wichtiger Ressourcen und für den Schutz des Klimas
01 — Die Leitfragen zum Partner-Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Japan für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Sicherung wichtiger Ressourcen und der Schutz des Klimas" zu verwirklichen?
Für Deutschland ist Japan einer der wichtigsten Wirtschafts- und Wertepartner in Asien. Neben dem Willen, gemeinsam die multilaterale Ordnung zu erhalten und weiterzuentwickeln, steht der Wunsch nach einer engeren Zusammenarbeit in den Zukunftstechnologien. Japan und Deutschland stehen insbesondere bei der Zukunft der industriellen Produktion und der demografischen Entwicklung ihrer Gesellschaften vor sehr ähnlichen Herausforderungen. Firmen beider Länder haben ein wachsendes Interesse an Kooperationen in Schlüsseltechnologien wie künstlicher Intelligenz, Digitalisierung, Mobilität und erneuerbare Energien. Japan ist zudem Deutschlands zweitwichtigster Handelspartner in Asien. Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Japan ist seit 2009 kontinuierlich gewachsen (BMWI).
Auch das Anfang 2019 in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan bietet große Chancen für den weiteren Ausbau dieser engen wirtschaftlichen Beziehungen. Das Abkommen enthält zudem ein eigenes Nachhaltigkeitskapitel; hierin möchten beide Länder zukünftig gemeinsam wirken. Denn Klimaschutz ist in Japan kein Nischenthema mehr: die Regierung verkündete im Oktober 2020 Japans Klimaneutralität bis 2050.
In Japan sind die Folgen des Klimawandels deutlich zu spüren. Die Klimaschutzziele sind ohne einen drastischen Politikwechsel nicht zu erreichen. Im Energieplan der japanischen Regierung ist ebenso festgeschrieben, dass effizientere und vernetzte Energiesysteme entwickelt werden müssen. Gemessen an der verfügbaren Technik sind die Herausforderungen und Kosten diesbezüglich noch hoch. Hier liegt enormes Kooperationspotenzial: gemeinsame Lösungen, die innovativ und flexibel die Integration verschiedener Energiequellen bieten. Solche Lösungen sind der Schlüssel, um traditionelle Energiequellen in regenerative zu überführen. Gemeinsame Forschungen an Technologien für Energiespeicher, Batterien, Netzregulierung und Hydropower können wichtige Komponenten der Zusammenarbeit beider Länder sein.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigt aktuell, wie wichtig vertrauensvolle und wertegebundene Partnerschaften sind. Insbesondere dann, wenn es um die Unabhängigkeit der Energielieferketten von Russland geht. Die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Japan im April 2022 hat gezeigt, dass Japan hoch auf der außenpolitischen Agenda der Bundesregierung steht, vor allem im Bereich Energie. Während seiner zweitägigen Japanreise hat Scholz die Bedeutung der zukünftigen Wasserstoffkooperation zwischen Japan und Deutschland mehrfach hervorgehoben. Die massiven Investitionen in den Aufbau einer umfassenden Wasserstofflieferkette sind ein zentrales Element der japanischen Regierungspolitik.
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Japans, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Energiesicherheit und stabile, bezahlbare Strompreise bleiben Prioritäten für Japans Politik und Bevölkerung. Daher wird die Regierung – unter Führung der konservativen Liberaldemokratischen Partei (LDP) – noch länger an fossilen Energieträgern festhalten und hat viele der nach der Katastrophe in Fukushima stillgelegten Meiler sukzessive wieder hochgefahren. Kernkraft und Kohle bleiben zunächst integrale Bestandteile der Energieversorgung.
Trotzdem gewinnt die Dekarbonisierung in Japan ständig an politischer Bedeutung. Wie geht die Rechnung mit Energiesicherheit, Wirtschaftswachstum und Klimaschutz zukünftig auf? In seinen Bemühungen um Antworten schaut Japan auch auf Deutschland. Mit der Energiewende hat Deutschland weltweit ein Zeichen gesetzt und wird auch in Japan als Vorreiter für Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien wahrgenommen.
Entsprechend der G7-Gipfelerklärung zur Lage in der Ukraine von März 2022 hat die japanische Regierung angekündigt, die Importe von Kohle und Erdöl aus Russland graduell zurückzufahren. Anders als Deutschland, importiert Japan knapp vier Prozent seines Öls, elf Prozent seiner Kohle und weniger als neun Prozent seines Erdgases aus Russland. Japan ist bei weitem nicht so abhängig von russischer Energie wie Deutschland, das bis zum Krieg rund 55 Prozent seines importierten Gases aus Russland bezogen hat.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Japan aktuell in diesem Bereich?
Japan war in der Vergangenheit nicht unbedingt das Land, auf das Deutschland auf der Suche nach Energie- und Klimaschutzpartnerschaften schaute. Zu sehr setzte Japan unverrückbar auf Kernenergie und Kohle. Doch um die CO2-Emissionen künftig zu senken, bemüht sich die japanische Regierung immer aktiver um alternative und klimafreundliche Energieformen.
Deshalb beschreitet Japan in der Herstellung von heimischem Wasserstoff neue Wege und sieht sich als weltweiten Vorreiter. Mit dem zukünftigen Hauptenergieträger Wasserstoff will Japan die Pariser Klimaschutzziele erreichen und die Abhängigkeit vom Import fossiler Energieträger deutlich verringern. Bis 2040 will Japan seine gesamte Wirtschaft komplett auf Wasserstoff umstellen, bis 2050 seine Treibhausgas-Emissionen um mindestens 80 Prozent reduzieren.
In Deutschland schaut man mittlerweile sehr interessiert auf die Wasserstoffgewinnung. Allerdings bleibt die Frage, welche Herstellungsmethoden als klimaneutral definiert werden können, ein Hindernis für die deutsch-japanische Wasserstoffkooperation. Entgegen der Meinungen in der EU hält die Ampelkoalition die Herstellung von Wasserstoff nur durch vollständig erneuerbare Energien („grüner“ Wasserstoff) für klimaneutral. Japan hingegen fördert den sogenannten „blauen“ Wasserstoff und bewertet diesen als klimaneutral. Die Begründung liegt im Prozess zur Herstellung des „blauen“ Wasserstoffs: die entstehenden Treibhausgase werden als Rohstoff für andere Zwecke genutzt.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Japan in diesem Bereich zu intensivieren?
Der Krieg in der Ukraine hat die Bedeutung von Wasserstoff für Japan und Deutschland immens erhöht. Beide Regierungschefs sehen die Entwicklung von Wasserstoff innerhalb einer japanisch-deutschen Zusammenarbeit als einen wichtigen Faktor für die Schaffung von Wohlstand auf breiter Ebene. Das Potenzial für diese Zusammenarbeit bleibt jedoch begrenzt, weil die Herstellung von „blauem“ Wasserstoff innerhalb der deutschen Regierung umstritten ist. Japan verlässt sich auf diese Herstellungstechnik als einen notwendigen Schritt, um die Energiewende wirtschaftlich erträglich zu machen, bevor die Produktion von „grünem“ Wasserstoff hochskaliert werden kann.
Japanischen Forschern zufolge, lassen sich mit Wasserstoff sehr bald Züge und Flugzeuge antreiben. Toyota forscht am Einsatz in Traktoren, Kühltransportern, großen Lkw für Langstrecken oder Mähdreschern. Die Energiedichte eines Tanks voll Wasserstoff ist zwischen 100- und 200-mal größer als die einer Lithium-Ionen-Batterie. Heute wird Wasserstoff bereits bei Brennstoffzellen-Fahrzeugen sowie in industriellen Anwendungen eingesetzt. Allein als Antriebsstoff für Autos wäre Wasserstoff jedoch nicht allzu sinnvoll, vielmehr ist er als Zwischenspeicher für erneuerbare Energie von hohem Nutzen. Erst im Kontext der Verbreitung neuer Energiequellen sei die Verwendung von Wasserstoff effektiv, sagen Experten.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Der Krieg in der Ukraine hat zu einer notwendigen und beschleunigten Debatte im Bereich Energiesicherheit geführt. Noch fehlt es – trotz aller aktuellen Absichtserklärungen – an konkreten, ausformulierten gemeinsamen Projekten, obwohl das einende Ziel ‚Unabhängigkeit‘ heißt. Die aktuellen Debatten in Japan und Deutschland zeigen, wie schwierig es ist, sich von russischer Energie zu lösen und neue Energiepartner zu akquirieren. Richtigerweise legt Deutschland das Hauptaugenmerk auf den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien. Nicht außer Acht zu lassen sind dabei die Kosten für die Endverbraucher und die finanziellen Belastungen – einen Aspekt, der besonders in Japan die Energiepolitik bestimmt. Kosten und Klimaschutz sind emotionalen Punkte, an denen sich Energiepolitik zurecht messen lassen muss.
Aus den beidseitigen Absichtserklärungen zu mehr Innovationen, größerer Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltigen Wachstum und dauerhafter Beschäftigung in Energiebereichen sollten gemeinsam betriebene Forschungs- und Technologiezentren werden, ein institutionalisierter Austausch auf relevanten Fachebenen, und wenn möglich ein intensivierter Austausch zwischen Hochschulen. Es reicht nicht, immer wieder zu dem Schluss zu kommen, vertieft kooperieren zu wollen. Die Bundesregierung sollte konkrete, machbare Projekte vorschlagen und nachhalten. Hier hilft die Indo-Pazifikstrategie, die bereits 2020 die mögliche energiepolitische Zusammenarbeit skizziert hat. Allerdings bleibt die innenpolitische Debatte darüber, welche Herstellungsmethoden als schlussendlich als klimaneutral definiert werden, ein Hindernis für die deutsch-japanische Wasserstoffkooperation. Bis zur kostengünstigen Produktion von „grünem“ Wasserstoff könnte Deutschland dem Bespiel des Marktführers Japan folgen und die Herstellung von heimischem „blauem“ Wasserstoff genehmigen.
Rabea Brauer leitet das KAS-Auslandsbüro Japan.
Aktualisiert am: 13.05.2022
02 — Auslandsbüro
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