PARTNER-ATLAS
ISRAEL
Als Partner für die Stärkung einer werte- und regelbasierten Weltordnung
01 — Die Leitfragen zum Partner Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Israel für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Stärkung einer werte- und regelbasierten Weltordnung" zu verwirklichen?
Deutschland und Israel pflegen eine intensive Partnerschaft, die sowohl auf gemeinsamen Interessen als auch auf geteilten Werten beruht. Den Ausgangspunkt der besonderen Beziehungen bilden die Shoa und die davon abgeleitete historische Verantwortung. Dass zwei Staatsmänner, Konrad Adenauer und David Ben-Gurion, den Grundstein dafür legten, bezeichnete der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert in einer Rede vor der Knesset im Jahr 2015 als „doppelten Glücksfall der “.
Zum Ausdruck von Israels größter Relevanz für Deutschland wurde die Äußerung der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel, die die Sicherheit Israels zur „deutschen Staatsräson“ erhob. Die besonderen Beziehungen – und die Verbundenheit über gemeinsame Werte – drücken sich ferner in einer Zusammenarbeit auf verschiedenen nationalen, regionalen und lokalen Ebenen sowie zwischen Politik, Unternehmen, Zivilgesellschaften, Wissenschaft und Kultur oder schlichtweg in unzähligen Begegnungen der Menschen aus. Darüber hinaus treten beide Länder entschlossen Antisemitismus, Xenophobie und Fremdenhass in Europa und der Welt entgegen. Einen Meilenstein jüdisch-deutscher Geschichte markierte das 1.700-jährige Jubiläum nachweislich dokumentierten jüdischen Lebens auf deutschem Boden im Jahr 2021.
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft von Israel, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Eine Dauerbelastung hinsichtlich der Partnerschaft für eine regel- und wertebasierte Weltordnung stellt der Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern dar. Berlin fordert die Einhaltung völkerrechtlicher Normen und tritt aktiv für eine verhandelte Konfliktlösung auf Basis der Oslo-Verträge (Zweistaatenlösung) ein. Diese Position ist in weiten Teilen Israels nicht mehrheitsfähig, was immer wieder zu Spannungen zwischen beiden Ländern, vor allem in den Regierungsjahren Benjamin Netanjahus, führte.
Gleichwohl war gerade die Ära Merkel von einem engen, partnerschaftlichen Verhältnis geprägt – bis zuletzt: Bei ihrem letzten Israelbesuch wurde die damalige Bundeskanzlerin vom amtierenden israelischen Premierminister Naftali Bennett als „moralischer Kompass “ bezeichnet. Bennett sandte so auch ein Signal an ihren Amtsnachfolger, es ihr nachzutun.
Auch gegenüber der EU zeichnen sich positive Veränderungen ab. Der israelische Außenminister Jair Lapid zeigte mit seinem Antrittsbesuch in Brüssel im Juni 2021 die Bereitschaft, sich der EU wieder anzunähern. Die EU muss sich in Israel Vorwürfe gefallen lassen, sie würde die Interessen und die Sicherheit Israels gerade auch gegenüber den Palästinensern und den gewaltbereiten und terroristischen Gruppen nicht ausreichend berücksichtigen. Umso mehr erhofft sich Jerusalem von Berlin Einfluss auf Brüssel. Deutschland wiederum ist stets bemüht, als Partner in der EU Impulse für den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern zu setzen, es tritt in internationalen Organisationen für einen fairen Umgang mit den im Nahen Osten ein.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel aktuell in diesem Bereich?
Anlässlich des 60. Jahrestages der Staatsgründung Israels wurden 2008 die regelmäßigen bilateralen Regierungskonsultationen ins Leben gerufen. Damit ist ein Instrument geschaffen worden, das beide Länder in mannigfaltigen Arbeitsbereichen eng verbindet.
Die bestehende Wertepartnerschaft zwischen Deutschland und Israel schlägt sich in zahlreichen Feldern nieder. Beide Länder sind gefestigte Demokratien und teilen das Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft. Sie arbeiten eng in den Bereichen der demokratischen Resilienz, Innovation und Digitalisierung, Bildung und Wissenschaft sowie im Cyberbereich zusammen. Ferner treten sie für liberale Kultur und Medien als Ausdruck freiheitlicher und pluralistischer Gesellschaften ein. Das Bekenntnis Deutschlands zur Sicherheit Israels findet auch in einer sich intensivierenden Sicherheitskooperation Ausdruck. Vor allem im Bereich von Hightech-Rüstungsprojekten kam es zur Zusammenarbeit. Für Deutschland ist Israel zudem eine zentrale Säule der Außenpolitik und ein Dreh- und Angelpunkt deutscher Regionalpolitik. Deutschland tritt für Israels Sicherheit über Diplomatie und Dialogformate ein und setzt sich eine regionale Friedensfindung zum Ziel.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel in diesem Bereich zu intensivieren?
Der Regierungswechsel in Israel 2021 und die Annäherungssignale Israels an Deutschland und die EU zeigen, dass sich auf hochrangiger politischer Ebene neue Kooperationspotenziale erschließen lassen.
Im Feld der Demokratieförderung bietet sich eine noch engere Kooperation im Bereich der Rechtsstaatlichkeit an. Bei Innovation und Digitalisierung kann Deutschland viel von Israel lernen. Unter den Schlagworten „Big Data“ und „Industrie 4.0“ ist viel israelisches Know-how vorhanden, das auch für Deutschland fruchtbar gemacht werden kann. Das gilt auch für die florierende Start-up-Kultur in Israel. In den Bereichen Handel und Technologie können durch verstärkte Kooperationen beide Seiten profitieren. Neben der bereits bestehenden engen Kooperation in Bildung und Wissenschaft bietet sich auch im Bereich des Jugendaustauschs eine engere Zusammenarbeit an.
Sicherheitspolitisch bleibt Israel eine Konstante der deutschen Nahostpolitik. Nicht zuletzt besteht eine große Interessenkongruenz zwischen beiden Staaten, die nuklearen Ambitionen des Iran einzudämmen – wenngleich ein Dissens über den Weg der Zielerreichung zu bestehen scheint.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Eine wertegebundene Außenpolitik steht grundsätzlich für Frieden, Sicherheit, Stabilität und nachhaltige Entwicklung. Mit Bezug auf Israel sollte daher weiterhin an einer verhandelten Zweistaatenlösung festgehalten und eine Erosion des Friedensprozesses verhindert werden (weitere Initiativen des sogenannten Kleeblatt-Formats und des Nahost-Quartetts, Eintreten für Reformen der Oslo-Vereinbarungen, Kampf für Demokratie und Reformen in den Palästinensischen Gebieten). Solange keine unmittelbare Lösung in Sicht ist, sollten pragmatische Ansätze in der Zusammenarbeit – alternative Projekte, die friedensstiftend, ausgleichend und stabilisierend wirken können – und die aktive Förderung der Friedensinitiativen mit den regionalen Nachbarn fortgesetzt werden. Berlin muss dazu konsequent und präzise seine Interessen in der Region definieren und sein internationales Standing dazu nutzen, auf Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn hinzuwirken. Die eher abwartende Beobachterrolle wie im Falle der Abraham-Accords sollte zukünftig einer Rolle des aktiven und konsequenten Gesprächspartners und Vermittlers weichen. Dazu sind gleichwohl stets ein enger Schulterschluss mit den USA sowie ein weiterer Vertrauensaufbau zwischen Israel und der EU nötig. Dass auch realpolitische Interessen Richtschnur der israelischen Außenpolitik sein können, zeigen die zurückhaltenden Reaktionen Israels auf die russische Invasion in der Ukraine. Israel ist auf eine umfassende Sicherheitskoordination mit Russland, das mit Bodentruppen in Syrien präsent ist, angewiesen und hielt sich deswegen mit scharfen Sanktionen zurück.
Die deutsche Außenpolitik mit Bezug auf die Region wird weiterhin vom Thema Iran dominiert, die internationalen Versuche zur Wiederbelebung des Atomabkommens von 2015 wurden in Israel kritisch kommentiert. Die Krisenherde im Nahen Osten werden bleiben und (militärische) Regionalallianzen zunehmen. Hier wäre Deutschland gut beraten, die lange geforderte „größere Verantwortung“ mit Blick auf Konfliktbewältigung oder Mediation einzunehmen. Diesbezüglich bieten sich auch gemeinsame Initiativen und neue Dialogformate in Abstimmung mit dem Wertepartner Frankreich an.
Ein für Deutschland attraktives Vehikel zur regionalen Integration könnte die Klima- und Umweltpolitik sein. Die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen Jordanien und Israel im November 2021 (sogenannter „Water-Energy-Deal“) hat gezeigt, dass Umwelt- und Klimaprobleme nur gemeinsam gelöst werden können und dies friedensfördernd wirken kann. Deutschland, das eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Klimawandel einnehmen möchte, kann dieses Potenzial zur regionalen Integration und Normalisierung erschließen und fördern.
Insbesondere die politischen Stiftungen und andere deutsche Mittlerorganisationen vor Ort sollten zukünftig stärker als komplementäre Instrumente der Außen-, Wirtschafts- und Kulturpolitik wahrgenommen werden.
Dr. Beatrice Gorawantschy leitet das KAS-Auslandsbüros Israel.
Philipp Paul Burkhardt ist Trainee im Auslandsbüro Israel.
02 — Auslandsbüro
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