PARTNER-ATLAS
CÔTE D'IVOIRE
Als Partner für die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation
01 — Die Leitfragen zum Partner Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Côte d'Ivoire für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Wahrung unseres Wohlstands durch freien Handel und Innovation" zu verwirklichen?
Côte d‘Ivoire gilt als politischer und wirtschaftlicher Stabilitätsanker in Westafrika. Während es ab Mai 2021 innerhalb von nur acht Monaten zu drei Militärputschen in den Nachbarstaaten Guinea, Mali und Burkina Faso kam, ist es in Côte d’Ivoire ruhig geblieben. Der rohstoffreiche Hub am Golf von Guinea verzeichnet seit 2012 ein anhaltend starkes Wirtschaftswachstum, das mit regelmäßigen Werten von mehr als 6 Prozent deutlich über dem ebenfalls hohen Bevölkerungswachstum von etwa 2,5 Prozent pro Jahr liegt. Lebten im Jahr 2000 noch 16,5 Millionen Menschen in Côte d’Ivoire, so waren es 20 Jahre später bereits 26 Millionen. Gleichzeitig stieg das BIP pro Kopf von 920 auf 2.271 US-Dollar. Selbst im Pandemiejahr 2020, als der afrikanische Kontinent erstmals seit 25 Jahren eine Rezession durchlebte, stieg die ivorische Wirtschaftsleistung immerhin noch um 2 Prozent. Im Ergebnis verfügt das Land über eine wachsende Mittelschicht als tragendes gesellschaftliches Fundament, auch wenn weiterhin eine Vielzahl von Herausforderungen besteht. So erhielten bereits vor der Corona-Pandemie mehr als 30 Prozent der 15- bis 24-Jährigen weder eine schulische beziehungsweise berufliche Ausbildung noch hatten sie ein Beschäftigungsverhältnis. Für viele Ivorer stellt der informelle Sektor die vorrangige Möglichkeit zur Existenzsicherung dar.
Die größte Volkswirtschaft in der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) bietet als Tor zum frankophonen Westafrika Zugang zu einer Region mit mehr als 110 Millionen Menschen. Auch wenn Côte d’Ivoire – wie viele andere afrikanische Staaten auch – seine Wirtschaft dringend stärker diversifizieren muss, um resilienter zu werden, ist das Land im regionalen Vergleich verhältnismäßig breit aufgestellt. Unter den insgesamt 15 Mitgliedstaaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) nimmt Côte d’Ivoire daher auch eine bedeutende Rolle ein. Das Land verfügt über einen gut entwickelten Dienstleistungssektor und über ein wachsendes verarbeitendes Gewerbe. Das Investitionsklima gilt ebenfalls als gut.
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Côte d'Ivoire, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Côte d’Ivoire zeichnet sich durch eine globalisierungszugewandte Agenda seitens der Regierung und eine Innovationskultur aus, die technische Veränderungen als notwendige Bedingung begreift. Zu beobachten ist eine verstärkte Bemühung um eine Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland, die sich auch in der 2017 vereinbarten Reformpartnerschaft widerspiegelt. Unterstützung findet die deutsche Wirtschaft unter anderem durch das im Jahr 2017 eröffnete Büro der KfW in Abidjan. 2022 wurde in der ivorischen Wirtschaftsmetropole zudem ein Regionalbüro des Import Promotion Desk (IPD) eröffnet.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Côte d'Ivoire aktuell in diesem Bereich?
2019 exportierte Deutschland Waren im Wert von 280 Millionen US-Dollar nach Côte d’Ivoire und importierte Waren im Wert von 592 Millionen US-Dollar, hauptsächlich Rohkakao für die deutsche kakaoverarbeitende Industrie.
Bereits seit 2014 ist ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) zwischen der EU und 16 westafrikanischen Staaten ausverhandelt. Da Nigeria dieses Abkommen jedoch bis heute nicht ratifiziert hat, kann es nicht in Kraft treten. Neben Ghana ist Côte d‘Ivoire das einzige westafrikanische Land, das zur Überbrückung ein Interim-Abkommen zur Förderung des Handels mit der EU abgeschlossen hat, das bereits zur vorläufigen Anwendung kommt.
Im Rahmen der G20-Initiative Compact with Africa besteht seit 2017 zudem die sogenannte Reformpartnerschaft zwischen Deutschland und Côte d‘Ivoire. Ziel ist es, das Umfeld für private Investitionen attraktiver zu machen und die Aus- und Weiterbildung dringend benötigter Fachkräfte zu unterstützen. Im Juni 2021 sagte die Bundesregierung Côte d’Ivoire rund 73 Millionen Euro neu zu und stellte weitere Zusagen in Aussicht. Als Kernthemen für die künftige Zusammenarbeit wurden festgelegt: (1.) Klima und Energie, (2.) Ausbildung und nachhaltiges Wachstum für gute Jobs sowie (3.) Umwelt und natürliche Ressourcen.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Côte d'Ivoire in diesem Bereich zu intensivieren?
In Côte d’Ivoire gilt die Landwirtschaft hinsichtlich Beschäftigung und Exporteinnahmen als der wichtigste Wirtschaftssektor. Das Land ist der weltweit größte Kakaoproduzent mit einem Marktanteil von rund 40 Prozent sowie ein wichtiger Produzent von unverarbeiteten Cashewkernen, Kaffee, Palmöl und Kautschuk. Dass Kakao rund die Hälfte des ivorischen Exportvolumens ausmacht, unterstreicht jedoch zwei zentrale Problemlagen: Zum einen führt die geringe Diversifikation zu einer hohen Anfälligkeit für externe Schocks, zum anderen findet nur ein sehr geringer Teil der Wertschöpfungskette im Land selber statt.
Das Land steht also vor der Herausforderung, neben der Landwirtschaft auch andere Wirtschaftsbereiche zu stärken und in der Landwirtschaft eine höhere Produktivität zu erreichen. Beide Seiten bieten Möglichkeiten für Deutschland, um die Partnerschaft mit Côte d’Ivoire zu intensivieren. Der Export deutscher Agrartechnik kann eine Intensivierung konventioneller wie ökologischer Landwirtschaft befördern und somit auch zur Förderung der sozioökonomischen Entwicklung vor Ort beitragen. Bereits heute werden innovative Technologien eingesetzt, um Erträge zu steigern, beispielsweise durch den Einsatz von Drohnen zur Produktionsüberwachung.
Gut ausgebildete Ivorerinnen und Ivorer, die Jahr für Jahr auf den Arbeitsmarkt strömen und keine formelle Beschäftigung finden, begründen darüber hinaus eine lebhafte Start-up-Szene. Das Netzwerk „Canaan Land“ zielt etwa auf die Förderung nachhaltiger Landwirtschaft und die Stärkung von Kleinbäuerinnen ab. Mittels „PASS SANTE MOUSSO“ und „COLIBA“ werden Dienstleistungsangebote im Gesundheits- und Abfallwirtschaftssektor bereitgestellt. Damit verbunden ist eine große Innovations- und Technologieoffenheit. Dies eröffnet auch innovativen Unternehmen aus Deutschland Potenziale, um Geschäftsmodelle auszuweiten oder zu pilotieren. Zahlreiche internationale Akteure bieten bereits sehr erfolgreich digitale Dienstleistungen an, sei es in den Bereichen FinTech, Quick-Commerce oder Mobilität. Der Markt ist aber bei weitem nicht gesättigt – und die Kooperationsbereitschaft auf ivorischer Seite ist hoch.
Nicht zuletzt eröffnet auch die Zusammenarbeit im Rahmen der Reformpartnerschaft Möglichkeiten für deutsche Unternehmen. Konkret betrifft dies zum Beispiel den angestrebten Ausbau und die Modernisierung des ivorischen Stromnetzes inklusive der Erzeugung zusätzlichen Stroms durch privat betriebene Solarkraftwerke.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
- Deutschland ist einer von insgesamt sieben Mitgliedstaaten der EU, die das Interim-EPA mit Côte d’Ivoire noch nicht ratifiziert haben. Um den wirtschaftlichen Austausch zu stärken, sollte Deutschland das Abkommen schnellstmöglich ratifizieren und bei seinen europäischen Partnern ebenfalls auf eine baldige Ratifizierung hinwirken. Erst dann ist die vollständige Anwendung des Abkommens möglich und eröffnet somit sein volles Potenzial.
- Darüber hinaus sollte Deutschland den weiteren Integrationsprozess Côte d’Ivoires im Rahmen der ECOWAS konstruktiv begleiten. Als regionaler Integrationsmechanismus ist die ECOWAS ein wichtiger Baustein bei der erfolgreichen Weiterentwicklung und Implementierung des Afrikanischen Freihandelsabkommens (AfCFTA). Langfristig sollte sich Deutschland auf europäischer Ebene für ein umfassendes Handelsabkommen zwischen der EU und der AfCFTA einsetzen.
- Um eine zukunftsweisende Innovationspartnerschaft zu etablieren, ist es notwendig, die Rahmenbedingungen für private Unternehmen vor Ort zu verbessern. Dazu gehören insbesondere die Eindämmung von Korruption sowie eine Stärkung von Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit. Im Rahmen der bestehenden Reformpartnerschaft mit Côte d’Ivoire kann Deutschland zukünftige Zusagen an konkrete Fortschritte in diesen Bereichen knüpfen.
- Eine verstärkte Zusammenarbeit hängt auch davon ab, in welchem Umfang ivorische Unternehmen auf gut ausgebildete Fachkräfte zurückgreifen können. Um die Hochschulbildung stärker an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes auszurichten, sollte das Modell des dualen Studiums durch Kooperationen deutscher Hochschulen mit ivorischen Pendants gestärkt werden.
- Mit einer gezielten Förderung von Frauenrechten könnte die strukturelle Benachteiligung von Frauen im Bereich der Landeigentumsrechte bekämpft werden. Diese Benachteiligung blockiert bisher Effizienzsteigerungen und den Ausbau landwirtschaftlicher Aktivitäten.
Dr. Stefanie Brinkel leitet das KAS-Regionalprogramm Politischer Dialog Westafrika mit Sitz in Abidjan.
Gunter Rieck Moncayo ist Referent für Wirtschaft und Handel in Subsahara-Afrika in der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit.
02 — Auslandsbüro
Kontakt:
Regionalprogramm Politischer Dialog Westafrika
08 Abidjan/Côte d‘Ivoire, Cocody Lycée Classique Rue Flamboyant (Ancien CECOS)
08 BP 4134 Abidjan
Côte d’Ivoire
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