PARTNER-ATLAS
CÔTE D'IVOIRE
Als Partner für die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen
01 — Die Leitfragen zum Partner Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Côte d'Ivoire für Deutschland, wenn es darum geht, das Interesse "Die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen" zu verwirklichen?
Mit ihrem sicherheitspolitischen Engagement in Westafrika fokussiert sich die deutsche Außenpolitik seit Jahren auf Mali und seine Nachbarstaaten – auch bekannt als Sahel-Region, deren Stabilität durch die räumliche Nähe zu Europa für Frieden und Sicherheit hierzulande unmittelbar relevant ist. Dennoch sollte der geografische Blick geweitet werden, denn Dschihadismus, ethnische Konflikte und organisierte Kriminalität breiten sich verstärkt in ganz Westafrika aus. Dadurch sind vor allem die südlichen Nachbarländer der Sahel-Staaten, wie Côte d’Ivoire, in ihrer politischen und wirtschaftlichen Stabilität bedroht. Côte d’Ivoire ist für Deutschland ein wichtiger westafrikanischer Partner im Bereich des Handels und der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Dies äußert sich nicht zuletzt in der Reformpartnerschaft, welche Deutschland seit 2017 mit dem Staat unterhält.
Dabei ist Côte d’Ivoire – wie auch andere Küstenstaaten des Golfs von Guinea – von den aus dem Sahel ausgehenden destabilisierenden Prozessen besonders betroffen. Zusätzlich sieht sich das Land nicht nur innerhalb seiner Landesgrenzen gefährdet, sondern auch seitens der Seegrenze im Golf von Guinea. Dieser gilt als neuer „Hotspot“ der afrikanischen Piraterie und ist angesichts seiner großen strategischen Bedeutung auch für Europa als Brennpunkt bedrohlicher Entwicklungen zu betrachten.
Durch eine vertiefte sicherheitspolitische Zusammenarbeit der Küstenstaaten des Golfs von Guinea mit Deutschland könnten bereits vorhandene sinnvolle Ansätze – vor allem im Bereich der Prävention – ausgebaut und weitergeführt werden. Am Beispiel Côte d’Ivoire ist zu zeigen, wie ein ernstzunehmendes Gegengewicht zu den sicherheitspolitischen Herausforderungen gefördert werden kann, um damit zur Stabilisierung der Lage in ganz Westafrika beizutragen.
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Côte d'Ivoire, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Deutschland besitzt in Côte d’Ivoire den ausgezeichneten Ruf, den westafrikanischen Staat in seinem Stabilisierungs- und Wiederaufbauprozess zu unterstützen. Präsident Quattara nahm unter anderem an der von Deutschland angeregten G20-Konferenz zur Afrika-Partnerschaft 2017 und ebenfalls an den 2018 und 2019 durchgeführten Compact-with-Africa-Konferenzen teil. Aktuell liegt der Fokus der Zusammenarbeit vor allem auf dem Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen. So konzentriert sich die Kooperation beider Länder auf die Bereiche Energie, Natur und Wirtschaft, gute Regierungsführung, Beschäftigungsförderung, Privatsektorentwicklung und Rohstoff-Governance. Diese bilaterale Kooperation wird durch die deutsche Beteiligung an EU-geförderten Projekten in Côte d’Ivoire ergänzt. Vor diesem Hintergrund kann die Bereitschaft des Landes als hoch eingestuft werden, auch im Bereich des Sicherheitssektors mithilfe deutscher Initiativen (und auch auf multilateraler Ebene) zur Konsolidierung und Schaffung legitimer und tragfähiger staatlicher Strukturen zusammenzuarbeiten.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Côte d'Ivoire aktuell in diesem Bereich?
Auch wenn sich die sicherheitspolitische Lage des Landes seit 2011 mit dem Amtsantritt von Präsident Quattara und der damit einhergehenden innenpolitischen Stabilisierung insgesamt verbessert hat, bleibt der Reformbedarf in Côte d’Ivoire zu mehr Stabilität und Einsatzbereitschaft im Sicherheitssektor groß. Das gilt insbesondere bei der Handlungsfähigkeit angesichts der wachsenden sicherheitspolitischen Herausforderungen im Norden des Landes. Allerdings gibt es gegenwärtig weder auf bilateraler noch auf EU-Ebene eine auf die Bedürfnisse des Partnerlandes zugeschnittene, nachhaltige Kooperation im Sicherheitsbereich, die gleichzeitig relevante sozioökonomische Faktoren berücksichtigt und auf die eigenständige Übernahme von Sicherheitsverantwortung hinwirkt. Allein im Auftrag des Auswärtigen Amtes verfolgt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gegenwärtig ein länderübergreifendes Projekt zur Unterstützung des Grenzprogramms der Afrikanischen Union, welches die Grenzgovernance von Côte d’Ivoire einschließt. Zudem setzt die GIZ seit 2019 ein Programm zum Aufbau und zur Stärkung polizeilicher Strukturen (bis 2022) um. Es fördert etwa die Integration der Abteilung Kriminaltechnik in die Kriminalpolizei und berät die ivorische Polizei zu internen Kontrollmaßnahmen anhand rechtsstaatlicher Prinzipien. Vonseiten der deutschen politischen Stiftungen im Land fördert unter anderem die Konrad-Adenauer-Stiftung über eine Kooperation mit der ivorischen Generalsstabsakademie und der École de Guerre die Ausbildung der zukünftigen militärischen Exekutivkräfte.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Côte d'Ivoire in diesem Bereich zu intensivieren?
Côte d’Ivoire ist sich der Bedrohung durch die grenzüberschreitenden sicherheitspolitischen Herausforderungen sehr bewusst und hat damit begonnen, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die Zahl der Grenz- und Armeeposten sowie Patrouillen Richtung Mali und Burkina Faso wurden deutlich erhöht und ein Fokus auf die Aufklärung gesetzt. Auch wurden Initiativen ergriffen, um die Zivilbevölkerung stärker in den Sicherheitssektor einzubeziehen und die Beziehungen zwischen ihr und den Sicherheitskräften zu verbessern. Diese Maßnahmen haben sich aber angesichts des Ausmaßes der Bedrohung bisher als unzureichend erwiesen. Dies liegt zum einen an Mängel im Bereich der Ausbildung und Ausrüstung der Sicherheitskräfte, zum anderen an einem tiefsitzenden Misstrauen zwischen der lokalen Bevölkerung und den Sicherheitskräften, welches eine effektive (Präventions-)Arbeit maßgeblich erschwert. Vor diesem Hintergrund böten sich also zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine verstärkte sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Côte d‘Ivoire und der Bundesrepublik – zum Beispiel durch Ausstattungshilfe, Fortbildung von Sicherheitskräften oder Programmen, um Kommunikation und Kooperation der relevanten Kräfte untereinander zu verbessern – an.
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Grundsätzlich sollte die Zusammenarbeit der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik vom Sahel stärker in die Länder des Golfs von Guinea ausgeweitet werden. Eine Möglichkeit wäre es in diesem Zusammenhang etwa, Côte d’Ivoire in das Programm der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung aufzunehmen. Damit würden militärische und zivile (Sicherheits-)Kräfte in den Bereichen Beratung, Schulung und Ausbildung unterstützt werden, um ihre Aufgaben effektiver wahrnehmen zu können. Auch im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit könnte Deutschland Côte d‘Ivoire gezielt darin unterstützen, wirtschaftliche Perspektiven für die Bevölkerung in den Grenzregionen zu schaffen, um damit Dschihadismus und organisierter Kriminalität den Nährboden zu entziehen. So sollte die Stärkung der lokalen und regionalen Eigenverantwortung des Landes durch einen vernetzten Sicherheitsansatz erfolgen, der notwendige sozioökonomische Faktoren berücksichtigt, um nachhaltige Wirkung in der Stabilisierung des Sicherheitssektors zu erzielen.
Dr. Susanne Conrad ist Referentin „Recht und Sicherheit Subsahara-Afrika“ in der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit.
Anna Lena Sabroso-Wasserfall ist Referentin „Westafrika / Digitale Formate Subsahara-Afrika“ in der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit.