PARTNER-ATLAS
BRASILIEN
Als Partner für die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen
01 — Die Leitfragen zum Partner-Atlas
RELEVANZ: Welche Relevanz hat Brasilien für Deutschland, wenn es darum geht, die Sicherheit und Stabilität Europas, seiner Nachbarschaft und anderer Weltregionen zu wahren?
Brasilien ist das größte Land in Südamerika, die fünftgrößte Nation der Welt und die größte Darüber hinaus umfasst es mehr als 60 Prozent des größten Tropenregenwaldes der Welt, den Amazonas, und hat einen hohen Anteil an erneuerbaren Energiequellen in seiner . Die geografische Lage des Landes, seine Größe, seine wirtschaftliche Bedeutung und die Wichtigkeit der Bewahrung seiner natürlichen Ressourcen für die Bekämpfung der weltweiten Klimakrise belegen die zentrale Rolle, die Brasilien bei der Gewährleistung und Aufrechterhaltung der globalen Klima-, Energie- und spielt.
In Südamerika galt Brasilien lange als Vermittler in Konflikten und Befürworter gemeinsamer Lösungen für die Konsolidierung von Sicherheit und Verteidigung. In der Region gilt das sicherheitspolitische Hauptaugenmerk den internen Turbulenzen einzelner Länder und nichtexpansionistischen Bestrebungen. Für das brasilianische Militär ist die Beteiligung an friedenserhaltenden Maßnahmen von grundlegender Bedeutung. In diesem Sinne zeichnete sich Brasilien beispielsweise durch das Kommando der UN-Mission in Haiti und von Februar 2011 bis Januar 2021 auch der Maritime Task Force der Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon (FTM-UNIFIL) aus, ebenso durch die Aufnahme venezolanischer Flüchtlinge.
Was die Grenzen anbelangt, so ist einer der wichtigsten Aspekte, der sich auf die internationale Sicherheitslage auswirkt, die Kontrolle illegaler Waffenströme und des Drogenhandels. Kriminelle nutzen Brasilien vorwiegend als Transitland, um den Transport nach Europa zu organisieren. Hier ist die Kooperation zwischen den Sicherheitsbehörden umso wichtiger.
Brasilien verfügt über gute Beziehungen zu einer Vielzahl afrikanischer Länder. Insbesondere mit dem lusophonen Afrika bestehen Abkommen über technische Zusammenarbeit. Darüber hinaus sind die Beziehungen zur NATO Ausdruck gemeinsamer Interessen mit der anderen Seite des Atlantiks – einem Raum, der den freien Verkehr von Waren, Informationen und Personen .
Im Januar 2022 trat Brasilien seine elfte Amtszeit als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) an und übernahm den Vorsitz des rotierenden Teils. Das Land ist gemeinsam mit Deutschland, Japan und Indien in der Runde der G4 aktiv, die sich für eine Reform des einsetzt.
Für Deutschland ist die Gewährleistung von Stabilität und Sicherheit in Brasilien und seiner Umgebung angesichts der langjährigen Wirtschaftspartnerschaft, des vorrangigen Ziels der Nachhaltigkeit und zur Unterbindung des organisierten Verbrechens von großer .
BEREITSCHAFT: Wie groß ist die Bereitschaft Brasiliens, mit Deutschland zur Verwirklichung dieses Interesses zusammenzuarbeiten?
Die derzeitige brasilianische Regierung, der viele Vertreter des Militärs angehören, macht das Thema Sicherheit zu einem ihrer Aushängeschilder im offiziellen Diskurs. Dabei geht es aber vordringlich um die innere Sicherheit. Um diese zu gewährleisten, wurden zum Beispiel 2021 neue Richtlinien für die nationale Nachrichtendienstpolitik eingeführt. Im Hinblick auf die international wichtige Klimasicherheit ist der 2008 eingerichtete Amazonas-Fonds zu erwähnen, der Projekte zur Verringerung der Entwaldung unterstützt. Die von Deutschland und Norwegen finanzierten Investitionen sind seit April 2019 ausgesetzt. Nach Äußerungen des Vizepräsidenten Hamilton Mourão ist das Land bereit mitzuarbeiten, um den Fonds wieder in Gang zu bringen, aber bisher blieben Taten aus. Die Gesundheits- und Wirtschaftskrise, die durch Covid-19 in Brasilien verursacht wurde, sowie die tiefe Polarisierung des Landes geben den Ton für Präsident Jair Bolsonaros nationalistische Reden vor, die oft globalisierungs- und kooperationsfeindlich ausgerichtet sind. Im Oktober dieses Jahres stehen Präsidentschaftswahlen in Brasilien an, deren Ausgang noch nicht vorherzusehen ist. Es wird interessant sein, wie die dann neugewählte Regierung agieren wird.
STATUS QUO: Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Brasilien aktuell in diesem Bereich?
Ein großes Interesse zur Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Brasilien besteht auf dem Feld der Klimasicherheit.
Brasilien ist der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands in Lateinamerika. Während die brasilianische Beteiligung an deutschen Unternehmen eher gering ist, beliefen sich die deutschen Direktinvestitionen in Brasilien zuletzt auf 18 Milliarden Euro. Brasilien ist das einzige lateinamerikanische Land, mit dem Deutschland eine strategische Partnerschaft eingegangen ist. Weltweit gibt es solche besonderen Wirtschaftsbeziehungen nur mit sieben anderen Ländern – darunter China, die USA und Indien. Dahinter steht das Bemühen, die Beziehungen zu strategisch wichtigen Wirtschaftsmächten zu intensivieren, etwa durch regelmäßige Konsultationen auf Gerade vor dem Hintergrund des Krieges in Europa könnten diese Beziehungen von Bedeutung sein, um die Kooperation bei Fragen der Energie- und Nahrungssicherheit wieder zu verstärken, denn Brasilien ist einer der Erdöl-, Gas- und Rohstofflieferanten auf dem Weltmarkt.
POTENZIAL: Wie groß ist das Potenzial, die Partnerschaft zwischen Deutschland und Brasilien in diesem Bereich zu intensivieren?
Brasilien ist ein Land mit Führungsanspruch in Südamerika, einer Region, die zunehmend von China (mit brasilianischen Exporten im Wert von 35 Milliarden US-Dollar pro Jahr) sowie in der Vergangenheit von den Vereinigten Staaten (27 Milliarden US-Dollar) und dem Vereinigten Königreich (28 Milliarden US-Dollar) beeinflusst wird. Im Rahmen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik ist es von strategischer Bedeutung, die Präsenz nicht anderen Mächten zu überlassen und in eine strategische Partnerschaft mit einer Regionalmacht wie Brasilien zu investieren. Mit einem Handelsvolumen von mehr als 14 Milliarden Euro (2020) liegt Deutschland auf Platz vier der größten Handelspartner . Es ist erwähnenswert, dass die wichtigsten Partner des Landes heute China und die Europäische Union sind. Für Deutschland und Brasilien ist es daher wichtig, die enge wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter auszubauen, damit sich die Bundesrepublik im Wettbewerb der Mächte um Einfluss in Lateinamerika noch stärker profilieren kann.
Das riesige Territorium Brasiliens ist auch eine wichtige Voraussetzung für die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. Das Land ist derzeit der drittgrößte Lebensmittelexporteur der Welt – Deutschland einer der größten . Brasilien ist deshalb ein wichtiger Akteur zur Sicherung der wachsenden weltweiten Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Energie. Außerdem ist das Land der drittgrößte Erzeuger von erneuerbaren Energien weltweit, mit dem größten Potenzial für die Bioenergieproduktion auf dem Globus und einer optimalen Sonneneinstrahlung während des ganzen Jahres sowie Raum für die Installation von Solar- und Windkraftanlagen. Die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu Brasilien ist daher für die Nahrungsmittel- und Energiesicherheit von großer Bedeutung, die gerade durch die Kriegssituation in der Ukraine neue Aktualität gewonnen hat.
Mit Blick auf die Digitalisierung ist Brasilien auch beim Thema Cybersicherheit für Deutschland und die EU ein interessanter Partner, um gemeinsame digitale Infrastrukturprojekte voranzutreiben, wie den Bau eines Unterseekabels zwischen Europa und Lateinamerika. Außerdem setzt sich das Land in multilateralen Foren für die Schaffung einer regelbasierten digitalen Weltordnung ein und fördert Maßnahmen für ein verantwortungsvolles Verhalten im .
POLITIKEMPFEHLUNG: Was muss sich in der deutschen Außenpolitik ändern, damit dieses Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft werden kann?
Lateinamerika nimmt in der deutschen Außenpolitik nicht den Stellenwert ein, den es aufgrund seiner Größe, strategischen Bedeutung und wirtschaftlichen Potenziale verdient. Asien, Afrika und der Nahe Osten stehen aufgrund von Sicherheitsfragen und grenzüberschreitenden Herausforderungen wie Migration stets ganz oben auf der Tagesordnung.
Lateinamerika und Brasilien sind mittel- und langfristig von strategischer Bedeutung für die Energie- und Ernährungssicherheit sowie die globalen Klimaschutzanstrengungen. Nach Angaben der Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung im Jahr 2050 9,7 Milliarden Menschen erreichen, was einem Anstieg von 26 Prozent . Der wirtschaftliche Aufstieg der Schwellenländer hat die weltweite Mittelschicht sprunghaft ansteigen lassen: Gehörten 2019 noch 3,6 Milliarden Menschen zu dieser Schicht, so werden es 2030 schätzungsweise 5 Milliarden Menschen sein. Dies erhöht die Nachfrage nach Lebensmitteln und Energie und erfordert nachhaltige Lösungen zur Bewältigung dieses .
Aus diesem Grund werden Länder, die wie Brasilien über diese Ressourcen verfügen, zu strategischen Partnern. China hat dies erkannt und investiert bereits enorm in der Region. Auch die USA sind aus geografischen Gründen mit Lateinamerika und Brasilien verbunden. Die brasilianische Diplomatie folgte eigentlich stets einer globalen, multilateralen Ausrichtung – mit Ausnahme der aktuellen Regierung, die mittelfristig viel Raum für noch engere Beziehungen zu Deutschland und der Europäischen lässt. Ein besonderes Interesse sowohl Brasiliens als auch Deutschlands liegt in der Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Energiepartnerschaft. Daher wäre es wünschenswert, die deutsche Außenpolitik würde Brasilien weiterhin als wichtigen Partner bei sicherheitspolitischen Fragestellungen betrachten. Hier können auch die jeweiligen Bundesstaaten interessante Partner für Deutschland sein.
Anja Czymmeck leitet das KAS-Auslandsbüro in Brasilien.
11: Nações Unidas Brasil 2019: População mundial deve chegar a 9,7 bilhões de pessoas em 2050, diz relatório da ONU, 17.06.2019, in: https://brasil.un.org/pt-br/83427-populacao-mundial-deve-chegar-97-bilhoes-de-pessoas-em-2050-diz-relatorio-da-onu [11.04.2022].
12: Alves, José Eustáquio Diniz 2010: O impacto global da classe média sobre o meio ambiente, Eco Debate, 10.01.2020, in:
https://www.ecodebate.com.br/2020/03/25/o-impacto-global-da-classe-media-sobre-o-meio-ambiente-artigo-de-jose-eustaquio-diniz-alves/ [11.04.2022].
13: International Energy Agency 2022: Brazil, in: https://www.iea.org/countries/brazil [11.04.2022].
02 — Auslandsbüro
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